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Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann

Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann

Titel: Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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allem, was er getan hat?«
    »Und was er noch so vorhat«, warf Lewis ein. Lewis Chao, der normalerweise so fröhlich war wie Anna ausgeglichen, blickte Gabriel mit seinen mandelförmigen Augen finster an.
    »Er ist durch und durch böse, Gabriel. Er ist böse, und du weißt das«, erklärte Rob und ging noch einen Schritt auf Gabriel zu. Auch Rob Kessler war von Natur aus alles andere als eine bedrohliche Erscheinung, doch in diesem Moment erinnerte er mit dem verwuschelten blonden Haar und den glühenden goldenen Augen an einen Racheengel.

    »Und am Ende wird er sich gegen dich wenden«, schloss sich Kaitlyn der Reihe der Mahner an. Kaitlyn Fairchild, weder so sanft und unbekümmert wie Anna oder Lewis, noch so idealistisch wie Rob, hatte feuriges Haar und ein ebensolches Temperament. Wegen ihrer rauchig blauen Augen mit den dunklen Ringen darin hielten viele sie für eine Hexe. Kaitlyn durchbohrte Gabriel mit ihrem Blick.
    Gabriel Wolfe warf den Kopf zurück und lachte.
    Wie immer raubte er Kaitlyn den Atem. Gabriel war ebenso gut aussehend wie Furcht einflößend. Seine blasse Haut ließ das schwarze Haar noch dunkler wirken, fast wie das seidige Fell eines Tieres. Er glich seinem Namensvetter, dem Wolf, durch und durch ein Jäger, der seine Beute gnadenlos verfolgte und mit ihr spielte.
    Natürlich ist er böse, sagte Gabriel. Kaitlyn hörte die Worte in ihrem Kopf. Sie klangen belustigt und spöttisch. Ich bin auch böse, oder war euch das noch gar nicht aufgefallen?
    Kaitlyn spürte einen Schmerz an den Schläfen wie viele kleine Nadelstiche.
    Das Atmen fiel ihr schwer, und sie erkannte die Bestürzung in Anna, Lewis und Rob.
    Gabriel war stärker geworden.
    Auch das war durch das telepathische Netz zu spüren, das die fünf miteinander verband. Gabriel hatte es einst geschaffen, und sie würden miteinander verknüpft sein,
bis einer von ihnen starb. Alle fünf verfügten über übersinnliche Fähigkeiten: Rob hatte heilende Kräfte, Kaitlyn konnte die Zukunft vorhersagen, Lewis betrieb Telekinese, und Anna konnte Tiere beeinflussen. Gabriel hatte telepathische Kräfte, knüpfte also eine geistige Verbindung zu anderen. So hatte er sie auch miteinander vernetzt, alle fünf, versehentlich. Seither waren sie wie die Arme eines Seesterns: jeder für sich und doch Teil eines Ganzen.
    Gabriels Kräfte waren immer am stärksten gewesen, doch die Intensität, die sie jetzt spürten, erschütterte die anderen vier. Seine innere Stimme hatte belustigt geklungen, durchaus – doch sie hatte ihnen die Bedeutung seiner Worte ins Gehirn eingebrannt wie ein glühendes Schüreisen.
    Lewis’ Gedanke klang dagegen schwach und fern: Ich habe Angst.
    Als Kaitlyn ihm einen kurzen Blick zuwarf, merkte sie, dass der Gedanke nicht für die anderen bestimmt gewesen war. Das war das Problem mit der Telepathie und dem Netz, das sie miteinander verknüpfte. Die Nähe, die es schuf, war manchmal zu groß, und private Gedanken gelangten unbeabsichtigt ins öffentliche Forum, stellten sie vor den anderen bloß. Sie konnten kaum etwas voreinander verbergen.
    Kaitlyn durchzuckte eine Erkenntnis. Sie sah Gabriel wieder direkt in die Augen, während sie ihren Gedanken aussprach.

    »Das ist es, nicht wahr?«, fragte sie. »Deshalb bist du gegangen. Es war dir zu viel, diese Nähe, diese Vertrautheit …«
    »Nein.«
    »Gabriel, es geht uns doch allen so«, griff Anna den Gedanken auf. »Wir hätten alle gern ein bisschen mehr Privatsphäre. Aber wir sind deine Freunde …«
    Gabriels Lächeln war grausam. »Ich brauche keine Freunde.«
    »Du hast sie aber«, sagte Rob leise. Er machte einen weiteren Schritt auf Gabriel zu, und seine Hand schloss sich um dessen Schulter. Mit einer Bewegung, die mühelos aussah, drehte er Gabriel herum.
    Die anderen traf Gabriels Überraschung und Wut wie ein Schlag. Rob ignorierte beides. Er sprach ruhig und ernsthaft, sah Gabriel dabei direkt in die Augen. Sein Zorn war verflogen, ebenso wie die Rivalität, die oft zwischen ihm und Gabriel geherrscht hatte, die typisch männliche Rangelei um Macht. Rob kämpfte gegen seinen Stolz an, und seine natürliche Aufrichtigkeit trug den Sieg davon. Er zwang sich dazu, sich Gabriel ungeschützt zu stellen.
    »Wir sind mehr als Freunde«, sagte er. »Wir sind alle ein Teil der anderen, jeder von uns. Du hast uns dazu gemacht. Du hast uns miteinander verbunden, weil du uns das Leben retten wolltest. Und jetzt willst du uns erzählen, dass du auf die Seite des Bösen

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