Viviane Élisabeth Fauville
Zeigefingers setzt sie das Mobile in Bewegung, das mit einem gebogenen Metallstäbchen am Wiegenrand befestigt ist. Es ist ein kleines Karussell mit Giraffen und Löwen, letztere hängen eine Stufe über den ersteren, so dass sie unerreichbar scheinen. Doch wenn man das Mobile ein bisschen fester anstöÃt, drehen sich die Tiere nicht mehr nur im Kreis, sie tanzen auch in der Senkrechten, und alle Möglichkeiten stehen offen. Das Kind blinzelt. Erstaunt, sofort seine Mutter vorzufinden, vergisst es zu weinen.
Nachdem sie es der Kinderfrau anvertraut hat, macht sich Viviane ohne zu zögern in Richtung Boulevard de La Chapelle auf. Sie trägt ein Kostüm in Hahnentrittmuster unter ihrem grauen Mantel, über den Gleisen entfernen sich die Wolken streng parallel, alles scheint sehr geordnet. In der Metrostation nimmt sie die Linie 5, die sie sechs Minuten später an der Haltestelle République absetzt, wo sie in die Linie 8 umsteigt, Richtung Créteil-Préfecture. Es liegt auf der Hand, dass die Tatwaffe wieder dorthin zurückkehren muss, wo man sie gefunden hat. Es gibt natürlich die Option, sie im Bassin de la Villette oder in der Seine verschwinden zu lassen, aber gerade wenn man die Beweise hineinwerfen will, tauchen stets unverhofft den Ordnungskräften nützliche Zeugen auf. Ja, das Messer muss zu Julien zurückkehren, auf das Regal, wo es im Dornröschenschlaf lag, seit es ihnen geschenkt wurde, statt in Ruhe in der Küchenschublade zu liegen, aus der man es einmal pro Woche herausgeholt hätte, um das sonntägliche Perlhuhn zu sezieren.
Viviane, die an der Station Michel-Bizot ausgestiegen ist, geht die Rue de Toul, dann die Rue Louis-Braille hinunter. Die Nummer 35 ist ein durchschnittliches, irgendwann in den siebziger Jahren errichtetes Gebäude. Sie durchquert den Vorgarten, drückt die Tür auf und trifft auf die Concierge, die damit beschäftigt ist, den Boden vor den Briefkästen zu schrubben.
Ach, Madame Hermant, das ist schön. Gerade gestern Abend habe ich Ihren Mann gesehen. In Begleitung. Ich kann Sie beruhigen, sie ist viel zu jung für ihn. Haben Sie Geduld, er kommt schon wieder, glauben Sie mir, er wird noch angekrochen kommen.
Danke, danke, antwortet Viviane verwirrt. Ich habe mich gefragt, ob er wohl Post im Briefkasten gelassen hat.
Nein, nein, ich glaube, er hat sie mit nach oben genommen. Aber ich habe noch den Schlüssel von oben. Wenn Sie wollen, können wir einen Blick in die Wohnung werfen.
Viviane hatte sich nicht erhofft, dass man sie auffordern würde, in die Wohnung einzutreten, ohne dass es so aussieht, als hätte sie einen Schlüssel. Sie geht vorsichtig um die feuchte Stelle herum, die das Hin und Her des Putzlappens markiert hat, während die Pförtnerin in ihrer Loge nach dem Schlüssel sucht und ihr dann folgt. Die Concierge öffnet die Tür problemlos, als verbrächte sie ihre Tage damit, in leeren Unterkünften herumzustöbern. Sie hebt ein Kissen auf dem Sofa hoch und in der Küche das Fernsehprogramm, Gut, ich gehe mal im Schlafzimmer nachsehen, erklärt sie, ohne ihre Absichten näher kundzutun. Viviane eilt hinter ihr durch den Flur und tritt in eines der Schlafzimmer. Während die Concierge das andere inspiziert, legt sie das Messer-Etui wieder an seinen Platz.
Sieh an, sieh an, schauen Sie mal her, ruft eine triumphierende Stimme hinter der Wand. Viviane gesellt sich zu der Concierge und stellt fest, dass sie vor dem Bett ein glänzendes Stück Plastik aufgelesen hat, das aussieht wie eine Kondomverpackung. Einmal auseinandergefaltet, entpuppt es sich, Enttäuschung, als ein einfaches Päckchen Kaugummi. Um zu erklären, warum sie so lange in dem anderen Zimmer gewesen ist, zeigt Viviane auf die alten Pantoffeln, die sie aus dem Schrank gefischt hat â Ich hab mir gesagt, wenn ich schon mal hier bin, nehme ich das mit. Tun Sie sich keinen Zwang an, meine Kleine, Sie werden ihm doch nicht noch Geschenke machen wollen, diesem Herrn. Die Wohnungsbesichtigung geht zu Ende, nirgendwo liegt Post herum, Viviane tritt als Erste heraus und überlässt es der Concierge, die Tür wieder zu verriegeln. Trotzdem vielen Dank, Madame Urdapilla, es war schön, Sie wiederzusehen.
Dann geht sie zur Place Félix-Ãboué, wo sie eine Brasserie betritt und ein Schinken-Käse-Sandwich und ein Mineralwasser bestellt â Nein, geben Sie mir lieber ein Glas
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