Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
Giftköder anzufassen. Aber wie sollte ich denn darauf kommen, dass jemand eine tote Taube begraben will?! Das hätte ich als Kind nie gemacht! Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, deshalb hab ich meinen Freund zurückgehalten.«
    Ich nicke nur, weil mir zum Sprechen einfach dieSpucke wegbleibt. Sie gibt es also zu. Sie ist wirklich dafür verantwortlich, dass ein kleiner Junge, der eine tote Taube begraben wollte, vergiftet wurde. Vielleicht ist er gestorben, vielleicht hat er Glück gehabt und hat nur eine Weile im Krankenhaus zugebracht. Aber wie auch immer:
    »Ich hab’s kapiert und ich kann das nicht einfach so stehen lassen.«
    »Aber ich bin deine Freundin, Nele! Hast du vergessen, wie wir letzte Nacht zusammengehalten haben?«
    »Haben wir das?«, frage ich bitter. »Nennst du das Freundschaft? Du hast mich vorher schon zwei Mal im Stich gelassen. Weder nach dem Volksfest noch nach meinem Sprung vom Dach hast du dich bei mir blicken lassen. Du hast es riskiert, dass Rocky etwas passiert.« Vor Aufgewühltheit kann ich kaum sprechen. »Tut mir leid, Ida, aber mit dem Wissen um diese Giftgeschichte belaste ich mich nicht. Wenn du mir dein Handy nicht gibst, gehe ich zum Campingplatz zurück und suche mir jemanden, der mich telefonieren lässt.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Das machst du nicht. Mein Handy kriegst du jedenfalls nicht. Jetzt glotz mich nicht so an! Was ist denn in dich gefahren? Willst du hier den Sheriff spielen? Willst du mich etwa auch im Bauwagen einschließen? Willst du genauso drohen, alles öffentlich zu machen, wie Lars es getan hat?!« Sie schleudert mir ihre Worte wie Wurfgeschosse entgegen.
    Unwillkürlich trete ich einen Schritt zurück.Rocky, der nicht verstehen kann, warum Ida plötzlich so angriffslustig ist, jault.
    Und wir zwei Mädchen stehen da und weinen.
    »Mein Gott, Nele, wir wollten Ferien machen! Du und ich, wir wollten weg und alles hinter uns lassen.« Sie ringt die Hände. »Dir ist das gelungen, mir nicht. Ist das nicht schlimm genug?«
    »Mir ist das auch nicht gelungen, Ida. Jeden Tag wünsche ich mir an die tausend Mal, ich wäre in der Partynacht zu Tobias zurückgefahren. Aber ich habe zu meinem Fehler gestanden, habe mit Tobias …«
    »Doch nur, weil du musstest, weil du aufgeflogen bist!«
    »Nein.«
    »Doch! Spiel nicht die Heilige, die bist du nicht!«
    Ich weiß nicht, ob sie recht hat, deshalb sage ich: »Komm, Rocky, wir gehen!«
    Sie schluchzt. »Glaubst du, die Polizei zu holen und die ganze Geschichte aufzurollen ändert noch was?«, ruft sie mir nach. »Wir haben das alle nicht gewollt, weder mein Vater noch Lars, noch ich. Es war einfach Pech.«
    Ich habe den Rand der Lichtung erreicht und betrete gerade den Wald, als ich in der Nähe jemanden unsere Namen rufen höre. Zuerst fühle ich mich erleichtert, weil ich an Fabi und Hannes denke, dann erkenne ich Herrn Bärlauchs Stimme, höre Idas »Papa, ich bin hiiier!« und beschleunige meine Schritte. Plötzlich ist mir der Gedanke, es mit allen dreien zu tun zu haben, äußerst unbehaglich.

40
    Rocky und ich hetzen durch den Wald. Als wir die Blockhütten erreichen, hämmere ich gegen die Türen. Ich muss telefonieren. Mindestens mit meinen Eltern. Ob ich dann eins-eins-null wähle, kann ich immer noch entscheiden. Die beiden dicken Frauen und der Angler sind allerdings nicht da. Auch die Wiese ist verlassen wie heute Morgen. Fabi, Hannes, Jan, Rotter – niemand da.
    Schwer atmend bleibe ich stehen. Auch Rocky ist k. o. Die Rezeption hat keinen Festnetzanschluss, daran erinnere ich mich. Mir bleibt, wenn ich nicht die Landstraße entlanglaufen will, nichts anderes übrig, als das Flussufer nach Angler Alfons abzusuchen.
    Gut fünf Minuten brauche ich, bis ich ihn erreiche. Er sitzt mit einer Flasche Korn und einer Tageszeitung auf einer morschen Bank. Die Angel liegt unbenutzt neben ihm auf dem Sitz.
    Weitere fünf Minuten rede ich auf ihn ein, versuche ihm zu erklären, worum es geht. Aber entweder kann ich mich nicht ausdrücken oder der Alkohol hat ihm bereits den Verstand geraubt. Irgendwann sagt er: »Ich habe so ein Telefon, aber es liegt im Haus.«
    »In der Blockhütte?«
    »Hmm. Auf dem Küchentisch.«
    »Könnten wir es holen?«
    Er stöhnt auf. »Junge Frau, ich hab mich gerade erst hingesetzt.«
    »Bitte!«
    Er kramt den Schlüssel der Blockhütte aus seiner Jackentasche und reicht ihn mir. »Aber keine Unordnung machen!«
    »Danke. Passen Sie bitte so lange auf meinen Hund

Weitere Kostenlose Bücher