Eigentor für Moritz
Begeistert klatschen die so Gelobten ab. Dabei ist das Ergebnis gar nicht so ungewöhnlich. Seit die Blau-Gelben in der Winterpause in einem Trainingslager auf Viererkette umgestellt haben, hat die Abwehr oft die Nase vorn. Außerdem haben sie sich durch eine Neuerwerbung verstärkt. Dabei handelt es sich eigentlich um einen alten Bekannten: Hendrik. Jahrelang hat er sich als Stürmer versucht. Mit mäßigem Erfolg, bis sich in einem Freundschaftsspiel zufällig seine wahre Qualität erwiesen hat. Seitdem agiert er neben Catrina als Innenverteidiger. Zwar hat das neue Spielsystem seine Bewährungsprobe noch nicht bestanden, denn der Rückrundenstart steht erst noch bevor. Aber die Ansätze sind vielversprechend.
Andere Mannschaftsteile machen dem Trainer mehr Kopfzerbrechen. Bei seiner Fehleranalyse nimmt er besonders die Stürmer ins Visier. »Ihr müsst auf den Gegner Druck ausüben«, fordert er. »Schon an dessen Sechzehner.«
»Das nennt man Angriffspressing«, verkündet Rebekka altklug. Als großer Fan von Blau-Gelb verpasst sie kaum ein Spiel. Aber in letzter Zeit gibt sie auch häufig beim Training ihren Senf dazu. Zwar hat sie selber noch nie gegen einen Ball getreten, aber schlau wie sie ist, hat sie sich inzwischen jede Menge Fußballweisheiten angeeignet, und seit sie mit Norbert für dessen Trainerschein paukt, fühlt sie sich wie der Bundestrainer persönlich. Vielleicht sogar noch ein bisschen wichtiger.
»Moritz, du darfst den Gegner nicht flanken lassen«, mahnt der Trainer. »Sonst wird es immer brandgefährlich.«
Ja, er weiß es ja selber: Im modernen Fußball ist der Stürmer der vorderste Verteidiger. Und wer mal Profi werden will, gewöhnt sich besser daran, auch wenn es ihm nicht schmeckt.
Moritz seufzt. »Ich werde mir Mühe geben«, verspricht er. Etwas anderes bleibt ihm wohl kaum übrig.
Nach dem Training geht Moritz wie üblich mit Mehmet und dessen kleinem Bruder Enes nach Hause. Die beiden wohnen in der Nachbarschaft.
»Ich finde das super, wie wir jetzt spielen«, schwärmt Mehmet. »Wie in der Bundesliga. Damit rechnet doch keiner unserer Gegner. Und ehe es sich rumgesprochen hat, haben wir den VfB schon kassiert.«
»Au ja«, wirft Enes voller Begeisterung ein. »Die machen wir platt.« Obwohl er noch ein F-Jugend-Knirps ist, weiß er schon längst, was sich für einen echten Blau-Gelben gehört. Genau wie die Großen verabscheut er den erfolgsverwöhnten Rivalen aus der Südstadt von ganzem Herzen.
»Ich freue mich schon aufs Derby. Die blöden Gesichter, wenn die in unsere Viererkette stolpern. Die platzen vor Wut, weil sie nicht so modern aufgestellt sind und noch spielen wie in der Steinzeit.«
Mehmet hat gut reden. Egal, wie das Spielsystem auch aussieht, auf einen Tormann kann kein Trainer der Welt verzichten. Bei den Stürmern sieht das leider ganz anders aus. Früher waren sie die unangefochtenen Helden des Platzes mit allen Freiheiten. Und heute? Eingezwängt in ein Defensivkorsett sind sie Teil einer Mannschaft, mehr nicht. Falls man überhaupt noch auf sie setzt. Viele große Clubs spielen nur noch mit einer Spitze. Die Spanier haben bei der letzten Europameisterschaft sogar teilweise ganz auf Stürmer verzichtet. Allein für diese Respektlosigkeit hätten sie es verdient gehabt, schon in der Vorrunde rauszufliegen. Leider haben sie Moritz diesen Gefallen nicht getan, sondern sind sogar Europameister geworden. Wenn das Schule macht, was wird dann aus einem Vollblutstürmer wie Moritz?
Mehmet versetzt Moritz einen Rippenstoß. »So schweigsam heute? Was’n los mit dir?«
»Ich glaube, wir Stürmer sind vom Aussterben bedroht!«, sagt Moritz düster.
»Oje!«, ruft Enes erschrocken. »So wie die Dinos?«
Genau so! Die armen Urviecher haben auch keine Chance gehabt.
Besser als gar keiner
D as zweite Schulhalbjahr beginnt für die Fünftklässler der Europaschule mit einer Überraschung. Herr Laubmühlen, ihr Klassenlehrer, bringt zwei neue Schüler mit. Dabei ist der eine gar nicht so neu, sondern allen Blau-Gelben wohlbekannt, Mark, ein herausragender Spieler beim VfB. Mit einem gelangweilten Lächeln versucht er den Coolen zu geben. Aber die rosa Flecken in seinem Gesicht verraten, dass ihm dieses Wiedersehen abseits des Fußballplatzes nicht wirklich behagt. Schon in der Teufelsgrundschule war Mark ein Klassenkamerad. Doch nach dem vierten Schuljahr wechselte er auf das Gymnasium Philippinum. Dass er nun hier steht, kann nur eins bedeuten. Seine Noten
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