voll im Einsatz
Kopf.
Gerold nickt. »Tja, ich fürchte, Sascha kriegt gar keine Brote für die Schule mit. Die macht er sich wohl selber. Oder … hm … möglicherweise fischt er sogar im Müll nach alten Broten vom Vortag rum, damit er was zu essen hat.«
»Iiiih!«, macht Kenny noch mal. »Der isst Brot, das im Müll war?«
Ich sage nichts. Von solchen Geschichten hört man ja oft im Fernsehen. Aber dass so was auch direkt bei uns passiert? Bei jemandem, den ich kenne? Ich muss schlucken.
Gerold seufzt. »Ja, ich glaube, im Moment hat Sascha kein allzu schönes Zuhause.«
»Oh, der Arme!«, haucht Kenny. »Wieso ist es bei ihm denn so scheußlich?«
»Seine Mutter ist schon seit Monaten im Krankenhaus«, erzählt Gerold, »und sein Vater … also, ich glaube, der kriegt das mit dem Haushalt nicht so richtig hin.« Er räuspert sich. »Und auch sonst gibt’s da wohl ein paar Probleme.«
»Mit Auas Vater?«, frage ich.
Gerold nickt stumm.
Puh, das wusste ich alles nicht! Klingt irgendwie ziemlich schlimm.
Augenblicklich fühle ich mich fast schlecht. Ich meine, ich war ja nicht wirklich so richtig freundlich zu Aua in letzter Zeit. Na ja, eigentlich überhaupt nie. Aber die anderen auch nicht! Obwohl das die Sache wahrscheinlich nicht viel netter macht. Ich meine, dass die anderen auch blöd zu ihm waren. Aber eigentlich … eigentlich war Aua selbst ja wohl am blödesten von allen!
»Ich denke, für Aua – ups!« Gerold hält sich erschrocken die Hand vor den Mund.
Kenny und ich kichern ein bisschen.
»Also, ich meine natürlich für Sascha«, fährt er fort, »war es nicht ganz einfach in den letzten Monaten. Er vermisst seine Mutter bestimmt schrecklich, und sein Vater … ist … hat …« Er bricht wieder ab. »Also sein Vater hat, wie gesagt, noch andere Probleme. Und vielleicht, vielleicht ist Sascha auch deswegen weggelaufen.«
»Oh«, macht Kenny wieder, »oh! Er ist vor seinem Papa weggelaufen?«
Gerold seufzt tief. »Ja, so was könnt ihr euch gar nicht vorstellen, hm? Ihr werdet vielleicht ab und zu mal sauer auf eure Eltern, aber ihr seid doch nicht wirklich unglücklich mit ihnen, oder?«
Kenny schüttelt heftig den Kopf. »Mama und Papa sind voll lieb! Und Remi auch!«
Gerold seufzt noch mal. »Ja, aber der arme Sascha hat es leider nicht genauso gut getroffen.«
Kenny ist jetzt still. Vielleicht traut sie sich nicht, noch mehr zu fragen. Aber in meinem Kopf knallen die Vermutungen wild durcheinander wie Pistolenkugeln. Meint Gerold, dass Auas Vater ein von der Polizei gesuchter Verbrecher ist? Oder wird er von der Mafia gejagt? Oder ist er etwa … Geheimagent und muss den armen Aua deswegen ständig allein lassen? Oder … oder … oder …
Was auch immer dahintersteckt – Gregorys Vater will uns nicht mehr als das sagen. Aua scheint auf jeden Fall ein armes Schwein zu sein. (Ich meine, selbst wenn der eigene Vater Geheimagent ist, ist es bestimmt nicht schön, als Elfjähriger mutterseelenallein leben zu müssen. Kein Wunder, dass er so stinkt. Ich wüsste auch nicht wirklich, wie man eine Waschmaschine anstellt.) Meine Güte, wenn ich das nur früher schon gewusst hätte!
»Und wenn er nun gefunden wird?«, frage ich zum Abschluss noch. »Muss er dann wieder zurück zu seinem Vater?«
Gerold sieht sorgenvoll aus. »Das versuchen wir gerade zu klären. Die Schule, die Polizei und das Jugendamt. Er könnte zum Beispiel für eine Weile zu einer Pflegefamilie. Das wäre vielleicht die beste Lösung. Aber erst mal müssen wir ihn finden! Das ist das Wichtigste!«
Ich nicke.
Und auch Kenny murmelt: »Klar, müssen wir das, klar!«
»Nicht du, Kenny!«, stelle ich schnell richtig. »Nur die Leute, die das angeht. Also ich auf jeden Fall, weil ich ja neben ihm sitze und …«
»Pffff«, macht Kenny.
Gerold lächelt wieder. Aber er sieht dabei doch etwas traurig aus. »Also lasst mich bitte wissen, falls ihr irgendetwas über Sascha hört, ja?«
»Klar, machen wir das, klar!«, versichert Kenny eifrig.
Und dann machen wir uns endlich auf den Nachhauseweg.
Ich hab eine Menge zu denken, als ich mit Kenny an der Hand zurückgehe. Als wir in unsere Kastanienallee einbiegen, fängt es schon an, langsam dunkel zu werden, und da fällt mir NOCH etwas ein. Iris’ Essen! Ich schaue auf die Uhr. Wir werden pünktlich kommen. NEIN!
Ich bleibe abrupt stehen. »Du Kenny, meinst du, du kannst den Rest alleine gehen? Ich hab … ähm, ich hab noch was vergessen.«
»Was denn?«, fragt Kenny.
Ȁhm,
Weitere Kostenlose Bücher