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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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mir seinen Grasatem ins Gesicht, und die Spitze seines Horns ist ziemlich genau eine Klauenbreite davon entfernt, meine kleinen Erdmänncheneier aufzuspießen. Ich blicke an mir herab und stelle fest, dass ich Justus gerade vor Schreck auf sein Horn pinkele. Für einen Moment steht die Zeit still. Er schnauft, ich pinkele. Dann hab ich keinen Urin mehr und mich wieder unter Kontrolle. Bin schließlich kein Nashorn. Mit einer einzelnen, abgespreizten Kralle tippe ich sehr behutsam die Spitze von Justus’ Horn an.
    »Wie es scheint«, sage ich, »sind wir heute ein bisschen … dünnhäutig, hm?«
    Statt einer Antwort stößt Justus nur ein weiteres Brüllen aus, das mich tatsächlich in die Hecke hinein- und auf der anderen Seite wieder herausschleudert. Dann sitze ich benommen auf dem Kiesweg und habe ein garstiges Fiepen im Ohr.
    Bis ich mich von dem Schock erholt und so weit gesammelt habe, dass ich aufstehen und meinen Weg fortsetzen kann, höre ich von jenseits der Hecke Justus’ dröhnende Stimme, die sich mühelos an dem Fiepen in meinen Ohren vorbeiarbeitet.
    »Komm schon, Baby«, höre ich ihn gurgeln, und es dauert einen Moment, ehe ich begreife, dass Ursula gemeint ist und nicht ich.
    »Justus, mein Großer«, antwortet Ursula, und ich bilde mir tatsächlich ein, ein laszives Raspeln aus ihrer Stimme herauszuhören. »Schon wieder?«
    Ich klopfe mir den Staub ab, spucke ein Blatt aus und sehe zu, dass ich weiterkomme. Seit Jahren wartet der Zoodirektor darauf, dass Justus sich endlich mal wieder aufschwingt und Ursula begattet, und jetzt haben die beiden nicht nur Sex, sondern sie sagt zu ihm: »Schon wieder?«

    Gedankenversunken setze ich meine Runde fort, vorbei an den Wölfen und Bibern, an den Pinguinen und Sumpfbüffeln. »Alles in Ordnung, Ray?«, höre ich eine Stimme durch das Fiepen in meinen Ohren, achte aber nicht darauf. Ist garantiert sowieso nur wieder Bernhard, das Okapimännchen, das am liebsten für alle im Zoo die Mutti wäre – ausgenommen die Leoparden, versteht sich –, und das jede sich bietende Gelegenheit nutzt, dir ein mehrtägiges Verständnisgespräch aufs Ohr zu drücken. Er meint es doch nur gut, sagt Ma immer, und damit hat sie natürlich recht. Aber genau das ist ja das Schlimme: Diejenigen, die ihre Tyrannei in einen Deckmantel wohlmeinender Anteilnahme wickeln, sind echt die Gefährlichsten. Gegen die ist schwer anzukommen.

    Ich tapse also durch den Zoo, warte darauf, dass das Fiepen nachlässt, frage mich, was wohl in Justus gefahren sein mag, und merke erst wieder, wo ich bin, als sich mein Herzschlag beschleunigt. Das passiert automatisch, sobald ich am unteren Waldschenkenteich abbiege, auf die Affengehege zusteuere und dahinter Elsas Käfig in Sicht kommt. Und offenbar geschieht es sogar, wenn ich völlig in Gedanken bin. Kann man mal sehen, wie so ein Organismus funktioniert – ganz von selbst nämlich. Echt krass, Wunder der Natur und so weiter.
    Wenn ich sage, dass ich etwas aus der Art geschlagen bin, dann bezieht sich das übrigens nicht nur auf meine Grabungsinstinkte, sondern ebenso auf Elsa. Meine Elsa. Die flauschigste Versuchung auf diesem Planeten. Und außerdem ein Chinchilla. Rufus meint ja, das sei pervers – als Erdmännchen auf ein Chinchilla steil zu gehen. Aber, mal ehrlich: Der Typ liest Konfuzius und Dieter Bohlen und all son Zeug. Neulich wollte er sogar einen Antrag zur Einführung einer neuen Gesprächs- und Reflexionskultur im Clan einbringen. Da frag ich mich doch, wer von uns beiden der Perversere ist. Glücklicherweise wusste Rocky nicht, was eine Kultur ist, also hat er die Idee sofort abgeschmettert.
    Zurück zu Elsa: Besonders schlimm erwischt es mich, wenn ein lauer Südwestwind weht. Dann streift mich, sobald ich die Gorillas passiert habe, dieser unwiderstehliche Duft aus Pfirsich und Urin, der ihrem in langen Mußestunden geputzten Fell entsteigt, und ich muss echt den Hintern zusammenkneifen, um nicht automatisch in die Knie zu gehen. Elsa. Ich könnte viel erzählen über Elsa, könnte Rufus’ frisch angelegte Bibliothek mit Geschichten über meine ewige Sehnsucht füllen …
    Hier nur so viel: Sie ist meine Elsa. Aber ich bin nicht ihr Ray. Sie hat mir das Herz gebrochen, mehrfach. Es zu Staub zerrieben und sich darin gesuhlt wie ein Dickhäuter. Spätestens seit der Geschichte mit Giacomo hätte ich allen Grund, sie mit Nichtachtung zu strafen, sie zu verachten, zu meiden, zu hassen. Das Problem dabei ist: Ich bin ein

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