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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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Fleisch fertig ist, beginnen wir zu essen. Das wird von den Grillverantwortlichen irgendwie missbilligt. Ich kenne das so: Die Grillmaster kümmern sich um das Fleisch und essen ganz zum Schluss. Man kann beim Grillen ja nicht warten, bis alle was haben, denn dann wird das Fleisch kalt. Jedenfalls hagelt es plötzlich Vorwürfe, böse Blicke, Getuschel und viel Gemecker auf Türkisch. Ich setze mich auf eine Bank, die etwas entfernt steht, rauche und sehe mir das Schauspiel an. Ich habe bis heute nicht kapiert, worum es eigentlich ging, und ganz ehrlich? – Es war mir auch völlig egal. Emotionslos gucke ich mir meine Klasse an. Gezeter und Gezeter, und irgendwann gehen drei Mädchen. Sie kommen aber alle vorher zu mir, um sich zu entschuldigen.
    »Du, Funda, wenn du meinst, dass ihr euch jetzt nicht mehr vertragen könnt, dann ist das auch okay. Wenn ihr gehen wollt – okay.« Aber so ein schönes Drama muss ja ausgedehnt werden. Bevor die drei Mädchen gehen, versuchen andere Schüler noch, sie zum Bleiben zu überreden. Ich denke nur: Wenn ihr gehen wollt – geht! Wenn ihr bleiben wollt – bleibt! Aber entscheidet euch, bitte.
    Als sie weg sind, räumt Ayla auf, und wir setzen uns alle zusammen auf die Decken. Ich stelle meine Kekse in die Mitte. Die sind echt der Hit. Ich muss versprechen, das Rezept auf Facebook zu posten. Und zur Krönung des Ganzen und um mal so richtig Kultur zu beweisen, werden zwei Shishas ausgepackt und zeremoniell zusammengebaut. Plötzlich sind sie alle wie Erwachsene. Meine Klasse – eben noch Kinder, gerade noch in der Siebten, und jetzt rauchen sie gemeinsam Wasserpfeife. Ronnie auch. Und Frau Freitag probiert auch das erste Mal in ihrem Leben. Ich bleibe aber bei Zigaretten. Diese Shisha törnt ja null.
    »Du kannst hier wohnen und deutschen Pass haben, aber auf der Straße bleibst du immer Ausländer«, sinniert Abdul, der im weißen Unterhemd neben uns auf dem Rasen liegt. »Was Ausländer?«, fragt Asmaa, die irgendwas an der Wasserpfeife repariert. »Ich habe den Einbürgerungstest bestanden. Ich bin hier geboren, und ich habe jetzt die deutsche Staatsangehörigkeit.«
    »Trotzdem bleibst du Ausländer«, stellt Abdul fest.
    Asmaa guckt ihn kurz böse an: »Ach, halt die Fresse, ich bin Deutsche.«
    Mir gegenüber sitzt Elif. Ihr weißes Kopftuch türmt sich bestimmt 50 cm über ihrem Schädel. Sie trägt eine dieser sehr großen runden Sonnenbrillen. An ihrem Kopftuch – ungefähr auf der Mitte ihrer Stirn – prangt eine riesige Strassbrosche. Sie sieht aus wie eine Mischung aus Filmstar und Sektenführerin, wie sie da im Schneidersitz in unserer Mitte thront.
    »Wie ist es denn bei dir, Elif, fühlst du dich eher als Türkin oder eher als Deutsche?«, frage ich.
    »Also, ich bin hier geboren, und das ist meine Heimat. Ich bin schon auch irgendwie türkisch, aber die deutsche Sprache beherrsche ich viel besser. Ich kann gar nicht so gut Türkisch, und ich möchte ja auch hier leben. Und deutschen Pass habe ich auch. Also, ich sehe vielleicht nicht so deutsch aus, wegen Kopftuch und so, aber ich würde sagen, ich bin Deutsche. Wie ist denn bei dir, Fatma?«
    »Also, Deutschland ist mein Zuhause. Äußerlich bin ich deutsch, aber mein Herz ist palästinensisch. Ich kenne ja auch gar nichts anderes als Deutschland.«
    Abdul schüttelt nur stumm den Kopf, sagt aber nichts mehr. Dann wird das Thema fallen gelassen, und Elif erzählt von den Hochzeitsvorbereitungen irgendeiner Cousine.
    Genau im richtigen Moment, als alle sich richtig gut verstehen, ziehen düstere Gewitterwolken auf. Ratzfatz wird aufgeräumt, und dann laufen wir gemeinsam durch den strömenden Regen. Einen schöneren Abschluss unseres letzten gemeinsamen Ausflugs als Klasse hätte ich mir gar nicht wünschen können.
    Nur noch vier Tage
    Jeder Lehrer hat ein Fach im Lehrerzimmer. Das Fach ist sehr, sehr wichtig, denn da landen alle Mitteilungen. Mein Fach ist voll. Die Fächer von Klassenlehrern sind immer voll. Zurzeit liegen da neben den Zeugnissen und den Siegerurkunden auch ständig so Zettel, auf denen wir mitteilen sollen, was unsere Schüler nach dem Sommer machen. »Verbleib der Schüler« nennt sich das. Was die im Sommer machen, interessiert niemanden, was sie die letzten vier Jahre getrieben haben, wollte nie jemand wissen. Aber jetzt – voll wichtig –, wo verbleiben die Schüler, wo sind sie angemeldet, haben sie Lehrstellen, wiederholen sie das Schuljahr? Als könnten sie alle verlorengehen,

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