Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Und vier können sogar in die gymnasiale Oberstufe.«
    Musti guckt von seiner Einladung auf, die er gerade mit Herzen verziert: »War voll schwer die Prüfung, vallah . Nur für Marina nicht. Sie meinte: Realschulprüfung war kein Gegner.«
    »Jetzt wird die Oberstufe ihr Gegner. Und dann das Abitur.«
    »Frau Freitag, das schafft sie locker. Sie ist voll Professor.«
    Na, wenigstens eine richtig gute Schülerin habe ich in der Klasse gehabt. Dass sie erst in der Neunten zu uns kam, ist doch egal, oder? Und dass sie vorher auf dem Gymnasium war … egal.
    Kitsch as Kitsch can
    Frau Frank steht im Lehrerzimmer und weint. Frau Frank ist Vertretungslehrerin. Sie ist total nett und unglaublich hübsch. Leider muss sie nach den Ferien gehen. Ich mag sie sehr und rauche oft mit ihr vor der Schule. Jetzt steht sie da und weint.
    »Was ist denn?« Keine Reaktion.
    »Was hast du denn?«, frage ich sie noch mal und lege ihr den Arm um die Schulter. »Komm, wir gehen erst mal eine rauchen.«
    »Ich habe mich von meiner Lieblingsklasse verabschiedet. Wir haben gefrühstückt, und die waren so süß. Die haben immer so toll mitgemacht. Die waren jede Woche mein Lichtblick. Und dann sind sie heute auf die Tische gestiegen und haben alle gerufen: ›Oh Captain, mein Captain!‹«
    »Echt?« Jetzt kommen mir plötzlich auch die Tränen. »Echt, das kennen die? Diesen Uraltfilm kennen die?«
    »Den habe ich …«, sie schluchzt wieder, »den habe ich mit ihnen im Englischunterricht durchgenommen.«
    Den Film gucke ich nächste Woche auch mit meiner Klasse! Dann gebe ich ihnen 50 Euro und sage, dass sie dafür Blumen kaufen sollen. Meinetwegen an der Tanke, aber sie sollen die Plastikverpackung abmachen, damit das dann wie ein toller Blumenstrauß aus einem richtigen Blumenladen aussieht. Der Strauß muss riesig sein. Die Karte, die sie mir schreiben sollen, formuliere ich schon vor. In dem kitschigen Style meiner Schüler.
    Den kenne ich nur zu gut: Seit Tagen produziert meine Klasse nichts anderes als Einladungskarten für die Fachlehrer. Inzwischen haben sie mir fast alle fertigen Karten übergeben: »Und Sie tun die in die Fächer? Ja? Nicht vergessen, Frau Freitag!«
    Aber die Karte für ihre Deutschlehrerin Frau Hinrich ist noch nicht fertig, also stecke ich mir alle Einladungen erst mal in die Tasche. Im Bus lese ich das Geschwurbel.
    »Lieber Herr Schwarz, wir wollen uns für vier tolle Jahre Unterricht bedanken, wir wissen, dass wir nicht immer die besten Schüler waren, wir danken Ihnen, dass Sie es mit uns ausgehalten haben, und laden Sie ganz herzlich zu unserer Abschiedsfeier ein.«
    »Lieber Herr Rau, wie Sie sicher wissen, haben wir unsere Abschiedsfeier. Wir waren nicht immer die besten Schüler, dennoch haben wir Sie immer sehr gemocht, und es hat auch Spaß gemacht.«
    »Liebe Frau Sömke, Sie waren ein Jahr eine sehr gute Lehrerin, wir mögen Sie, und Sie sind eine nette Lehrerin, Sie bringen uns vieles bei, und wir haben gut gelernt, und darum wollen wir, dass Sie zu unserer Abschlussfeier kommen. Wir bestehen darauf, dass Sie kommen.«
    »Liebe Frau Hinrich, wir hatten zwei wundervolle Jahre mit Ihnen. Ihr Unterricht hat immer Spaß gemacht, und gelernt haben wir auch sehr viel. Sie haben uns bis zum Ende unterstützt.«
    »Lieber Herr Johann, wir hatten nicht sehr lange zusammen Unterricht, Sie hatten bestimmt schöne, aber auch schlechte Zeiten mit uns. Trotz der kurzen Zeit würden wir uns sehr freuen, wenn Sie mit uns feiern würden.«
    »Lieber Herr Werner, auch wenn wir uns seit vier Jahren nicht gut benehmen, sind Sie dennoch einer unserer Lieblingslehrer. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie mit uns feiern würden.«
    »Liebe Frau Schwalle, auch wenn einige Schüler unserer Klasse für Sie sehr anstrengend waren, sind Sie uns dennoch ans Herz gewachsen.«
    Süß, oder? Und wo ist meine Einladung? Mit vielen Dennochs und Herzlichsts und so? Und Dank für den tollen Unterricht und die tolle Klassenführung? Ich will auch so eine Einladung! Jetzt kriegen die Kollegen diese netten Karten und ich? Ich kriege mal wieder nichts. Als Klassenlehrerin muss ich ja sowieso zur Abschlussfeier kommen. Deshalb wird mich wohl auch keine andere Zehnte einladen.
    Okay, also meinen vorformulierten Text müssen sie nur in ihrer Kinderschrift auf die Karte, die ich ihnen geben werde, übertragen. Und vor allem sollen sie dichthalten. Wenn die Kollegen rausfinden, dass ich manipuliere – das wäre megapeinlich.
    Und dann