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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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bestanden haben. Vielleicht ist meine Klasse doch nicht so blöde, wie ich immer dachte. Ich habe inzwischen auch die Zensuren von den Kollegen bekommen. Es sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus. Vier Leute können in die Oberstufe gehen, und sechs haben den Realschulabschluss. Yeah, die Zensurenkonferenz kann kommen! Ich muss mich gar nicht mehr in Grund und Boden schämen. Ich liege voll im Schnitt. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die Mädchen meiner Klasse die hübschesten aus dem ganzen Jahrgang sind, dann liege ich sogar über dem Durchschnitt. Die werden auch am schönsten aussehen bei der Abschlussfeier und am ausgelassensten tanzen.
    Zurzeit kommen wieder mehr Schüler meiner Klasse zum Unterricht, und es wird richtig gemütlich. Es geht echt aufs Ende zu. In einer Woche die Zeugnisse machen, Grillen, dann Zensurenkonferenz, dann ein paar offizielle Feierlichkeiten und dann das große Abschlussfest. Das Highlight meines ganzen Schuljahres.
    »Sie MÜSSEN im Kleid kommen!«
    »Sie können nach der Schule mit zu Marcella kommen, die hat eine Freundin, die macht uns die Haare, die kann Ihnen auch die Haare machen.«
    »Dürfen wir Sie schminken?«
    »Kommen Sie dann nach der Feier noch mit? Wir gehen Shisha-Bar. Die ganze Klasse. Da müssen Sie auch kommen!«
    »Wann machen wir Klassentreffen?«
    »Meinen Sie, Sie werden uns vergessen?«
    »Na, ich glaube nicht.«
    »Wir waren doch Ihre erste Klasse, oder?«
    »Ja. Und das ist wie der erste Freund und das erste Mal. Das vergisst man ja auch nicht.«
    Sie ist voll Professor
    Wenn die Arbeit der Schüler getan ist, beginnt die Arbeit des Klassenlehrers. Zeugnisnoten eintragen, den Noten hinterherrennen, Zeugniskonferenzprotokolle erstellen, Abschlüsse, Wiederholer und Nachprüfungen festlegen und – immer wieder schön – die Statistik: Wie viele Schüler haben welchen Abschluss erreicht? Wie viele sind davon Mädchen/Jungen, ndH (nicht deutscher Herkunftssprache), ausländische Schüler? Wer kam mit welcher Empfehlung an die Schule, und welchen Abschluss haben diese Schüler erreicht? Wie viele Schüler sind während des Schuljahres abgegangen? Was mit diesen Statistiken passiert, weiß ich nicht. Die landen wahrscheinlich in irgendeiner Behörde in irgendwelchen Pappkisten.
    Auf dem Statistikbogen stehen nachher nur Zahlen, keine Namen. Deshalb macht mich die Statistik auch immer ganz verrückt. Wenn ich da hinschreiben könnte, dass Abdul doch noch einen Erweiterten Hauptschulabschluss bekommen hat und Musti auch, dann wäre das irgendwie leichter. Einer von den zwei Abgängern, die dieses Jahr unsere Schule verlassen haben, war übrigens Emre. Emre hat versucht, in irgend so einer Maßnahme, in der sie die Schüler nur auf die Prüfungen vorbereiten, seinen Abschluss zu machen. Bei uns wurde er nicht für die Realschulprüfung zugelassen. Emre ist nicht dumm. Mit ein wenig Arbeit und regelmäßiger Anwesenheit würde der locker die Prüfung bestehen.
    Plötzlich steht er neben mir im Klassenraum. Ich schwitze an meinem Pult über dem Ablaufplan der nahenden Zeugniskonferenz. Die meisten Schüler sitzen entspannt in den hinteren Reihen und unterhalten sich. Vier Schülerinnen und Schüler schreiben Einladungen an ihre Fachlehrer für die Abschlussfeier. Eigentlich kann jeder Lehrer auch einfach so zur Feier kommen, aber die meisten haben daran gar kein Interesse. Wenn sie allerdings persönlich von einer Klasse eingeladen werden, erhöhen sich vielleicht die Chancen. Meine Schüler wollen fast alle ihre Lehrer auf die Abschlussfeier einladen und formulieren herrliche Texte:
    »Wir waren bestimmt nicht immer eine leise Klasse. Aber Sie sind eine tolle Lehrerin. Und jetzt gehen wir hinaus ins Leben und fänden es extrem super, wenn Sie diesen Anlass mit uns feiern würden.«
    So schwülstige Einladungstexte würden mir gar nicht einfallen.
    »Emre, na, sieh mal einer an! Was machst du denn hier? Wie war deine Realschulprüfung?«
    »Verkackt. Mathe 6, Deutsch und Englisch 4 und in der Politikprüfung, abo , was die da für Fragen gestellt haben …«
    »Was haben die denn gefragt?«
    »Syrien. Nahostkonflikt, und dann meinten sie: ›Nennen Sie noch mehr Bundespräsidenten.‹ Und da meinte ich: Gaddafi.«
    »Hm.«
    »Na ja, durchgefallen.«
    »Bundespräsident Gaddafi?«
    »Ich wiederhole nächstes Jahr. Dann schaffe ich das schon. Wie lief das denn hier mit den Prüfungen? Haben alle aus der Klasse bestanden?«
    »Ha, nee, nee. Aber immerhin sechs.

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