Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
mir leid.« Starkey hebt die Schlüssel auf und reicht sie dem Mann. Der spürt gar nicht, dass Starkey ihm im gleichen Moment mit der anderen Hand die Brieftasche aus dem Mantel zieht. Pfeifend schlendert Starkey davon. Der Mann merkt wahrscheinlich erst zu Hause, dass seine Brieftasche nicht mehr da ist, und dann wird er glauben, dass er sie in der Kneipe vergessen hat.
Starkey biegt um eine Straßenecke, damit er außer Sicht ist. In der Sekunde, in der er die Brieftasche öffnet, durchzuckt ihn ein Stromschlag mit solcher Wucht, dass die Beine unter seinem Körper nachgeben und er halb ohnmächtig zu Boden geht. Eine Elektroschock-Brieftasche. Er hat davon gehört, hat bis dahin aber noch nie mit einer zu tun gehabt.
Wenige Sekunden später ist der Betrunkene plötzlich alles andere als betrunken bei ihm, gemeinsam mit drei weiteren Männern, deren Gesichter Starkey nicht sehen kann. Sie heben ihn auf und werfen ihn in einen wartenden Kleinbus.
Als das Auto losfährt, sieht Starkey, der erst halb wieder bei Bewusstsein ist, das Gesicht des plötzlich nüchternen Betrunkenen vor sich, der ihn durch einen wie elektrisch aufgeladenen Nebel anschaut.
»Bist du ein Wandler, ein Ausreißer oder einfach nur Abschaum?«, fragt er.
Starkeys Lippen fühlen sich an wie Gummi. »Abschaum.«
»Toll«, sagt der Nichtbetrunkene. »Das grenzt die Sache schon ein. Wandler oder Ausreißer?«
»Ausreißer«, murmelt Starkey.
»Perfekt«, murmelt der Mann. »Jetzt, wo klar ist, dass du ein Wandler bist, wissen wir wenigstens, was wir mit dir tun werden.«
Starkey stöhnt, und eine Frau, die außerhalb seines eingeschränkten Blickfelds sitzt, lacht. »Du brauchst dich gar nicht zu wundern. Wandler haben diesen besonderen Ausdruck in den Augen, anders als Abschaum oder Ausreißer. Wir wussten auch so schon Bescheid.«
Starkey versucht sich zu bewegen, doch seine Glieder sind zu schwer.
»Lass das«, sagt ein Mädchen, das er ebenfalls nicht sehen kann, weil sie hinter ihm sitzt. »Beweg dich nicht, sonst kriegst du eine Ladung ab, die noch stärker ist als die in der Brieftasche.«
Starkey ist Teilepiraten in die Falle gegangen. Er dachte, er wäre schlauer. Im Stillen verflucht er schon sein Schicksal, als der Scheinbetrunkene sagt: »Das Geheimversteck wird dir gefallen. Gutes Essen, allerdings riecht es da ein bisschen streng.«
»W-was?«
Um ihn herum Gelächter. Es sind vielleicht vier oder fünf Leute in dem Kleinbus, genau kann er das immer noch nicht sehen.
»Ich liebe diesen Gesichtsausdruck«, sagt die Frau. Ihr Gesicht taucht vor ihm auf und sie grinst ihn an. »Weißt du, dass man ausgebrochene Löwen betäubt, damit man sie in Sicherheit bringen kann, ehe sie einem Wilderer vor die Flinte laufen?«, erklärt sie. »Na ja, heute bist du der Löwe.«
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Das Geheimversteck ist ein Abwasserpumpwerk. Vollautomatisch. Städtische Arbeiter tauchen dort nur auf, wenn etwas kaputtgeht.
»An den Gestank gewöhnt man sich«, erklären die anderen Starkey, als sie ihn hineinbringen. Er kann es zuerst kaum glauben, aber es stimmt tatsächlich. Offenbar merkt der Geruchssinn, wenn er gegen einen Gestank nicht ankommt, und arrangiert sich damit. Und wie er schon im Kleinbus erfahren hat, macht das Essen den Gestank wett.
Das Geheimversteck ist eine Brutstätte der Angst. Die Angst der Jugendlichen, die von ihren Eltern aufgegeben worden sind, ist die schlimmste von allen. Jeden Tag kommt es zu Schlägereien und Streitigkeiten, jeden Tag plustert sich jemand auf.
Starkey hat unter Außenseitern und Grenzgängern schon seit jeher eine natürliche Autorität ausgestrahlt, und im Geheimversteck ist das nicht anders. Schnell steigt er im Sozialgefüge auf. Die Nachricht von seiner gewaltsamen Flucht nährt bereits die Gerüchteküche und fördert von Anfang an sein Ansehen.
»Stimmt es, dass du zwei
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