Volles Rohr
sich eine lynchbereite Schwesternschar versammelt.
»STUS«, sagte Dr. J.
»Was?«
»STUS. Speichelfluß, Tränensekretion,
Urinabsonderung, Stuhlgang. Symptome eines
Cholinesterase-Inhibitors. Gehst du neuerdings mit
Nervengas um, S. T.? Arbeitest du für die Iraker oder was?«
»Gegen die Typen sind die Iraker Waisenknaben«, sagte ich.
»Mist. Aber deiner Freundin geht es bald wieder gut.
Körperlich jedenfalls.«
»Körperlich?«
»Wir müssen noch ihre Hirnfunktionen abchecken«,
sagte er. »Ich muß sie an einen Kollegen weiterreichen.«
Bald kamen sie mit einer Bahre auf Rädern und karrten Debbie in eine Abteilung, in die ich nicht mitdurfte. »Wir kriegen ziemlich schnell Bescheid«, sagte Dr. J. »Also reg dich erst mal ab.«
Er wandte sich wieder dem Pöyzen-Böyzen-Fan zu.
Trotz seines Umfangs und seiner PCP-Überdosis hatte er sich relativ ruhig verhalten. Was hauptsächlich daran lag, daß er mit Sechspunktlederriemen auf dem Tisch
festgeschnallt war. Es war nicht so, daß er uns nicht gern gekillt hätte.
»He, seht euch das an!« Dr. J. zog diverse Papiere aus der zierbenagelten Lederjacke des Typs. »Eintrittskarten zu einer Privatparty, Mann! Genau drei Stück. Also, ich bin in 'ner Viertelstunde weg. Kommt ihr mit?«
Der Patient protestierte auf die ihm einzig mögliche Weise, indem er den Rücken wölbte und seinen
Pferdearsch wieder und wieder auf den Tisch donnern
ließ.
»Wetten, daß seine Alte schon da ist? Wetten, daß sie so scharf ist wie ein Skalpell?«
Der Typ fand einen Weg, auf präverbalem Level von
seinen Stimmbändern Gebrauch zu machen, und Dr. J.
mußte schreien, um gehört zu werden.
»Könnt ihr euch vorstellen, daß ich dem Jungen schon fünfundzwanzig Milliliter Haldol verpaßt habe? PCP ist der Stoff überhaupt, Mann!«
»Dr. J.!« rief eine Schwester. »Wir haben auch noch
andere Patienten!«
»Da ist seine Schlüsselkette, Mann«, sagte Dr. J. und zeigte auf ein großes Kettenknäuel, das aus der Tasche des Typs hing. »Schnappen wir sie uns, dann können wir seine Harley zu Schrott fahren.«
Und nun war es so laut im Raum, daß wir auf den
Korridor flohen. »Ich hasse diese Sniffer«, sagte Dr. J.
Eine Schwester mit Klemmbrett näherte sich. Ich dachte an die bürokratischen Probleme, die auf mich zukamen.
Welches Formular füllt man aus, wenn ein toter Terrorist eine mit Handschellen gefesselte, STUSende, an akuter Organophosphatvergiftung leidende Frau ins
Krankenhaus einliefert? Wieviel Stunden würden wir
damit verbringen, diese Frage durchzuackern? Also sagte ich der Schwester, Debbie hätte eine
Krankenversicherungskarte in der Brieftasche, und
verzog mich. Sobald wir einen sicheren Abstand
zwischen uns und die Notaufnahme gelegt hatten, rief ich Tanya an und teilte ihr mit, sie solle es weitersagen: Debbie sei im Krankenhaus und könne Besuch brauchen.
Und ein paar Gorillas.
Dann hängte ich ein. Es war 3 Uhr morgens. Bart und ich standen auf dem Parkplatz des Charles-River-Einkaufszentrums, auf allen Seiten von toxischem
Wasser umgeben. Boone war an Bord eines Schiffs, das in Kürze Everett anlaufen würde. Wenn es dort war,
würde Smirnoff, mein Lieblingsumweltschützer, es
sprengen. Laughlin und die anderen Schurken würden
draufgehen. Das war gut. Unser Freund Tom, der Kapitän und Boone würden ebenfalls draufgehen. Das war
weniger gut. Der Beweis, den wir so dringend brauchten, der Tank voll konzentrierten Organophosphaten im
Schiffsbauch, würde zu kleinen Splittern zerfetzt werden.
Die PCB-Bakterien würden verschwunden sein -
unmöglich, Basco etwas nachzuweisen. Pleshy würde Präsident der Vereinigten Staaten werden, und
achtjährige Schulkinder würden ihm schr eiben. Meine Tante würde mir erzählen, was für ein großer Mann das sei, und Militärkapellen würden ihm auf all seinen
Wegen voranschreiten.
So sah es aus, zumindest im Moment. Kann sein, daß ich dies und das übertrieb, aber eines war verdammt sicher: Wir mußten Smirnoff stoppen.
»Bin ich ein Workaholic?« fragte ich, als wir durchs Nordend trabten, Barts Transporter entgegen, und ein paar Benzedrin-Kapseln kauten. »Ich meine, jeder
anständige Mensch würde doch an Debbies Bett sitzen
und ihr die Hand halten, wenn sie aufwacht.«
»Hm«, sagte Bart.
»Am liebsten würde ich sie jetzt küssen. Aber statt
dessen wird sie nachher aufwachen und sagen: >Wo ist der Mistkerl, der behauptet, daß er mich liebt?< Der ist bei der Arbeit,
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