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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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Ich hatte vergessen, wohin wir wollten.
    Jedenfalls nicht zur University of Massachusetts, die wir gerade ansteuerten. Wir beschlossen, auf die
    Wolkenkratzer zuzuhalten, vielleicht auf den Kai beim Aquarium. Die Leute mußten sowieso gewarnt werden,
    weil die Fische dort ihr Wasser zum großen Teil aus dem Hafen bekamen.
    »Die Typen haben die Fässer auf Lastwagen geladen«,
    sagte Debbie. Sie schien in keiner Weise sauer darüber zu sein, daß sie gekidnappt, mit Handschellen gefesselt und fast gekillt worden war. Sie war völlig gelassen.
    Logisch. Sie hatte es geschafft - sie hatte überlebt. »Ich bin einem Lastwagen nachgefahren, nach Westen, durch Roxbury und Brookline und Newton. Sie sind immer
    wieder mal am Rinnstein stehengeblieben. Ich hab' mir gedacht, daß sie was in die Gullys einleiten. Der
    Lastwagen hatte unten ein Rohr, aus dem das Zeug
    rausfloß.«
    »Hast du …«
    »Ja, ich habe Proben gezogen. Aus dem Rinnstein. Stank echt penetrant. Die haben sie jetzt natürlich. Und die Kamera auch.«
    »Wie haben sie dich gekriegt?«
    »Das Autotelefon hat geläutet. Ich habe gestoppt, um zu reden, und sie sind von hinten gekommen, haben mit
    ihren Kanonen rumgefuchtelt und mich zum Aussteigen
    gezwungen.«
    Das war das Dümmste, was ich je gehört hatte. Dachte ich zumindest ein paar Sekunden. »Wer hat da angerufen, verdammt noch mal? Warum hast du ihm nicht gesagt, er soll sich später noch mal melden?«
    »Ging nicht. Es war Wyman.«
    »Wyman?! Was wollte der blöde Arsch denn von dir?«
    »Er wollte uns warnen. Er hat gesagt, daß Smirnoff heute nacht was vorhat.«
    »Scheiße.«
    »Er will in Everett ein großes Schiff in die Luft jagen. Er hat Plastiksprengstoff.«
    »Ein Schiff von Basco ?«
    »Ja.«
    Wasser strömte über Debbies Gesicht, obwohl der Wind sie inzwischen trockengepustet haben mußte. Sie
    schwitzte und fröstelte gleichzeitig. Im matten, grauen Licht, das von der Stadt abstrahlte, sah ich, daß Speichel aus ihrem Mundwinkel rann und zum Ohr hinunterlief.
    »Er hat einen Mann, der mal bei der Navy war«, hauchte Debbie.
    »Du«, sagte ich, »hast du was von dieser Brühe
    geschluckt?«
    Sie gab keine Antwort.
    »Ich liebe dich, Debbie«, sagte ich, weil es vielleicht das letzte war, was sie in ihrem Leben hören würde.
    Wir fuhren nicht besonders schnell. Ich gab Gas und
    sagte Bart, er solle Debbie den Finger in den Hals
    stecken. War aber nicht nötig, weil sie von selbst
    reiherte. Als wir in der Charles-River-Schleuse waren, nördlich von der City, hatte sich der Geruch von Scheiße und Urin mit dem von Kotze und Galle vermischt, und
    Debbie blutete an den Handgelenken, weil ihre
    gefesselten Hände konvulsivisch zuckten.
    Das Zode brachte uns bis auf knapp hundert Meter an das beste Krankenhaus der Welt heran, und dann packte ich mir Debbie über die Schultern wie ein Feuerwehrmann
    und rannte los. Bart lief auf den Storrow Drive und
    stoppte den Verkehr. Die Tür der Notaufnahme näherte sich, ein Rechteck aus kaltem, bläulichem Licht, dann spürten die Sensoren, daß jemand kam, und sie ging auf.
    Das Wartezimmer war gerammelt voll. Alle Bänke und
    der halbe Boden waren von Sniffern besetzt, teils mit Handschellen gefesselt, teils von Krämpfen geschüttelt.
    Irgend jemand hatte beim Pöyzen-Böyzen-Konzert nicht ganz sauberes PCP unter die Leute gebracht.
    In Debbies Nervensystem gab es einen Kurzschluß nach dem anderen, sie schlug um sich wie eine von Aschtoret Besessene - so wild, daß Bart und ich sie kaum halten konnten.
    »Organophosphatvergiftung!« brüllte ich.
    »Cholinesterase-Inhibitor.«
    »Folge von Drogenmißbrauch«, sagte die eiskalte
    Schwester an der Anmeldung. »Da werden Sie warten
    müssen wie alle anderen.« Aber wir sausten an ihr vorbei auf den Flur.
    Wir schleppten Debbie von Raum zu Raum, verfolgt von einem Rattenschwanz von Schwestern, bis ich den
    richtigen fand und die Tür aufstieß.
    Dr. J. drehte sich um und war geplättet: »Hallo, S. T.! Du hast dich neu gestylt! Nett, daß du wieder mal
    vorbeischaust, Mann! Ich hab' im Moment ein bißchen zu tun, aber …«
    »Jerry! Atropin! Sofort!« schrie ich. Und da Dr. J. nicht umsonst Dr. J. war, jagte er Debbie binnen fünfzehn
    Sekunden eine Atropin-Spritze in den Arm. Sie fiel
    zusammen wie ein Kuchen ohne Backpulver. Wir
    breiteten sie auf dem Boden aus, weil auf dem
    Behandlungstisch ein zwei Zentner schwerer Pöyzen-
    Böyzen-Fan lag. Dr. J. begann sie zu untersuchen. Auf dem Flur hatte

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