Vollidiot
Zigarette aus. Ganz schön still, so ohne Fernseher. Ich schalte den Fernseher wieder an, ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und klicke mich durchs Adressbuch. Das muss man machen, wenn man selbst nicht mehr angerufen wird.
ADAC, Air Berlin, Alexander, Bernd W...
Bernd Weile. Der ist nett, mit dem könnte ich mal wieder auf die Rolle gehen! Kurz vor dem Wählen fällt mir ein, dass Bernd in München wohnt und ich in Köln. Mal abgesehen von der Frage, wer da das größere Pech hat, ist das entschieden zu weit für ein Bierchen.
... Eva, Fabienne, Flik ...
Ich könnte Flik anrufen, den alten Langweiler. Eben, da haben wir's ja schon. Was sollte an einem Abend mit Flik passieren? Nach vier Bieren wird ihm wieder schlecht, und ich stehe alleine da. Oder er verdirbt sich den Magen an einem verdorbenen Zwiebelstück auf einer Pizza. Ich klicke weiter und lande bei meiner letzten Freundin. Oha!
... Julia ...
Was macht die denn noch in meinem Speicher? Und zack: gelöscht! Ein gutes Gefühl! Selbst wenn ich wollte, könnte ich sie jetzt nicht mehr anrufen. Es sei denn, ich fragte Iris nach ihrer Nummer. Hab ich die Nummer von Iris noch? Gott sei Dank! Man weiß ja nie. Vielleicht sieht sie ja endlich ein, dass sie einen Riesenfehler gemacht hat und kommt winselnd zurückgekrochen? Ich will mir mit der alten Kippe eine neue anzünden, bemerke aber, dass ich noch gar keine rauche, zünde mir eine an und stecke die zweite erst mal weg, weil zwei auf einmal rauchen, das geht nun wirklich nicht. Klick, klick.
Vorbei an der strohdoofen Miriam, die ich nicht lösche, weil ich bei ihr ab und zu noch einen Pikser machen darf, klicke ich mich schließlich zur technischen Hotline von Siemens. Mit Siemens kann man nicht weggehen. Siemens ist ein multinationaler Mischkonzern, und das ist auch der Grund, warum man Siemens nicht vögeln kann. Ich frage mich, was die Nummer in meinem Handy verloren hat. Ach ja ... wegen meiner Kaffeemaschine, die sich seit dem 1. 1. 2000 nicht mehr auf »Zeitversetztes Brühen« einstellen lässt. Ganz gespannt darauf, wer denn nun wegen dieses unglaublichen Jahrtausendfehlers in Aufzügen stecken bleibt oder in Flugzeugen abschmiert, war ich natürlich der einzige Mensch auf der ganzen Welt, den es tatsächlich getroffen hat. Mit seiner Kaffeemaschine! Klick, klick.
Kati, Katja, Lala ...
Lala ist meine kroatische Putzfrau und nicht unbedingt die erste Wahl für hemmungslose Saufabende. Klick, klick. ... Paula, Petra ...
Von Paula weiß ich, dass sie gerade nicht in Köln ist, und Petra geht ohne ihren komischen Hund sowieso nirgendwohin. Klick, klick.
... Taxi Köln ...
Wenn ich einem Taxifahrer einen Fünfzig-Euro-Schein in seine verspeckte Hemdtasche steckte, würde er bestimmt ein paar Kölsch mit mir zischen. Ich könnte mich natürlich auch an der Taxischlange vorbeischleichen und mir eine scharfe, nymphomane Taxifahrerin aussuchen! Und wenn wir's dann gemacht hätten, brauchte ich ihr nicht mal ein Taxi zu rufen, weil sie ihr eigenes ja schon mithätte. Wie praktisch! Klick, klick.
Ich klicke weiter, als etwas völlig Unerwartetes geschieht. Mein Handy klingelt. »Unbekannter Anrufer« steht auf dem Display. Was ist, wenn das Julia ist, deren Nummer ich gerade gelöscht habe? Solche Zufälle soll's ja geben! Ich reiße mich zusammen und gehe vorsichtig ran.
»Hallo?«
»Hi! Was machste? Du klingst gestresst!«
»Ich BIN gestresst! Das Telefon hat geklingelt!«
Es ist Phil Konrad. Der Super-Poser. Mister »Hey-ich-fühl-mich-sexy-ich-glaube-da-geht-heute-was«. Mr. Dauerpleite, der mir noch mindestens zehn Bier schuldet. Und der Wichser hat einen gut bezahlten Job bei 'ner Fernsehproduktion. Ich darf ja im T-Punkt für einsfünf netto irgendwelchen trüben Tulpengesichtern verklickern, warum die Leitung besetzt ist, wenn man schon telefoniert. Fakt ist aber, dass ich jetzt keinen Bock auf Phil Konrad habe. Er gehört zu der Sorte Mensch, die es zur wahren Meisterschaft darin gebracht haben, dass man sich in ihrer Umgebung stets unbedeutend und uncool vorkommt.
»Was machste heute Abend? Ich hab irgendwie das Gefühl, dass was geht!«
Dingdong! Da haben wir's! Will keiner mit ihm weg, weil er so ein Scheiß-Angeber ist. »Du, ich ... ich steck bis zum Hals in Arbeit ... Steuer und so ... weißt ja, die Sachen die man immer aufschiebt, und in genau dieser Sekunde hab ich angefangen! Außerdem flieg ich doch morgen in den Urlaub!«
»Wann?«
»Um 16 Uhr noch was!«
»Dann
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