Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
mehr ohne Waffe verlassen.« Karin hatte sich in Eifer geredet, jetzt schwieg sie und schaute zu Monique.
Monique presste ihre Hand so fest um den Stiel des Weinglases, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, sie starrte Karin aus großen, verstörten Augen an und stand kurz davor, ihre Fassung zu verlieren.
Herr Lefort entspannte die Situation, er schenkte neuen Wein nach und sagte begütigend: »Sie haben recht, Frau Wolf, aber für den einzelnen Menschen ist es manchmal schwer zu verstehen, dass Mörder ohne Strafe davonkommen.«
»Auch ich«, sagte Karin, auf einmal sehr niedergeschlagen, »hätte vor wenigen Tagen fast der Versuchung, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, nachgegeben, aber ein Engel hat mich gerettet. Adina hatte so einen Engel leider nicht.«
Der finstere Schleier, der sich auf Karins Gemüt gelegt hatte, wurde von dem milden, leicht salzigen Seewind bald vertrieben. Ich habe Urlaub, sagte sie sich, und den genieße ich auch. Die schrecklichen Bilder, die sie mit ihrer Vision einer gesetzlosen Gesellschaft, heraufbeschworen hatte, verblassten angesichts der freundlichen Landschaft und der vielen Vögel, die darin lärmten.
Nach ihrem Abschied von Herrn Lefort und Monique machte sie sich wieder auf den Rückweg nach Rochefort. Sie lief zügig, denn sie wollte Christine zu einem bislang noch nicht geplanten Ausflug überreden.
»Da bin ich aber gespannt, was du in diesem Kaff zu finden hoffst.« Christine war nicht wirklich ungehalten, sie tat nur so. Tief in ihrem Inneren begeisterte sie sich für Karins Ermittlungen. Es war der kleine Nervenkitzel, der einen gemeinsamen Urlaub mit Karin so aufregend werden ließ.
»Hier soll es eine sehr schöne Kirche geben, die möchte ich gern besichtigen. Und außerdem habe ich dir als Entschädigung einen romantischen Abend versprochen«, schmeichelte Karin.
Gemeinsam liefen sie zum Marktplatz des Ortes. Auf dem Weg dorthin weihte Karin ihre Freundin in ihren Plan ein. Je mehr Christine erfuhr, desto begeisterter wurde sie. Im Zentrum des Ortes angekommen wandten sie sich dann auch nicht in Richtung Kirche, sondern liefen schnurstracks zum Rathaus.
Christine gelang es mit ihrer resoluten Art schnell, zum Standesbeamten vorgelassen zu werden. Der Beamte war ein Herr mittleren Alters, den Christine mit ihrem Charme mühelos um den Finger wickeln konnte. Nachdem sie eine Weile auf ihn eingeflötet hatte, schlug er in seinen Unterlagen nach und gab die gewünschten Auskünfte.
Als Christines Neugier gestillt war, verließen die beiden Frauen das Amt und Christine fasste die Ergebnisse für Karin zusammen: »Frau Lefort hat einen Bruder und der hat zwei Söhne, da sie aber keine weiteren Geschwister vorweisen kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Nichte hat, äußerst gering.«
Über Karins Gesicht zog ein Leuchten: »Wusste ich es doch.«
»Ach, und eine Kleinigkeit noch«, hüstelte Christine schelmisch. »Frau Leforts Mädchenname lautet Caffier. Und ihr Bruder hört auf den schönen Namen Claude.«
Karin pfiff leise. »Nun wird mir alles klar.«
Wo sie nun einmal da waren, suchten sie die Kirche doch noch auf. Während der Besichtigung bemerkte Karin, dass der Pfarrer anwesend war. Sie tuschelte leise mit Christine und gemeinsam gingen sie zu dem Herrn hin. Christine stellte sich und Karin vor, dann fragte sie, ob er Herrn Caffier kenne. Als der Pfarrer bejahte und die Auskunft erteilte, dass Inspector Caffier oft gemeinsam mit seiner Mutter zur Messe kam, bat ihn Christine, doch viele Grüße an diesen von Frau Wolf auszurichten und sie vergaß auch nicht hinzuzufügen, dass Frau Wolf auch dessen Schwester, Frau Lefort, ihre Grüße übermittelt.
Etwa zwei Stunden, bevor die Dämmerung das Tageslicht ablöste, erreichte Karin nachdem sie zum zweiten Mal an diesem Tag den Weg von Rochefort bis zu Sarah Leforts Geburtsort zurückgelegt hatte den kleinen Friedhof des Ortes. Sie entdecke Sarahs Grab schnell, denn Moniques große Gestalt stand gebeugt davor. Karin stellte sich still dazu. Die beiden Frauen standen lange und hingen ihren Gedanken nach. Als Monique sich Karin zuwandte und sprechen wollte, legte Karin ihren Finger sanft auf Moniques Lippen. »Bitte, sagen Sie nichts. Lassen Sie mir wenigstens die Illusion.«
Dann setzte sich Karin auf den Grasboden vor das Grab und schlug mit ihrer Hand leicht auf den Platz neben sich. Als auch Monique sich gesetzt hatte, sagte Karin leise: »Ich reise morgen ab und ich werde
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