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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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dämmerte, als Mary die letzten Holzschüsseln spülte. Henry reichte ihr das Tablett mit dem Porzellangeschirr der Offiziere. »Wenn du das gespült hast«, sagte er, »kannst du dich aufs Ohr hauen. Der Kapitän hat verfügt, dass die Kombüse nicht am morgendlichen Reinschiffmachen teilnehmen muss. Dennoch beginnt auch unser Tag um vier Uhr.«
    Dann zerrte er unter einem der Schränke einen Strohsack hervor und verschwand in der Vorratskammer, um sich schlafen zulegen. Stille kehrte auf dem Schiff ein, denn die Nachtruhe war ausgerufen worden. Nachdem sie das Geschirr gespült, getrocknet und gestapelt hatte, löschte sie das Feuer, drehte die Öllampe aus und verließ die Kombüse.
    Leise begab sie sich in das Mannschaftsdeck, in dem es nach verdreckter Wäsche und Schweiß stank. Sohnrey hatte veranlasst, dass der Schmied ein Hakenpaar an den Holzbalken anbrachte, damit sie die Hängematte aufspannen konnte. Die Haken waren direkt neben der Wand befestigt, weit entfernt vom Niedergang und der Luke. Weit entfernt von Tageslicht und frischer Luft.
    Mary fürchtete, in der Enge den Matrosen zu wecken, der mit offenem Mund neben ihr schlief. Sie hatte ihn beim Rumausschank gesehen. Er trug immer noch die Kleidung, die er tagsüber am Leib gehabt hatte. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und betrachtete die Schlafenden: Jeder der Männer ruhte in seiner Arbeitskleidung.
    Vorsichtig schob sie sich in die Hängematte, die nachgab, sich drehte und sie schwungvoll auf den Boden krachen ließ. Beklommen harrte sie dort aus und lauschte, ob jemand sich rührte. Es blieb ruhig, sodass sie nach einiger Zeit einen zweiten Anlauf wagte. Dieses Mal sank sie tief in den Stoff der Hängematte, deren Seitenteile sich über ihr fast wieder schlossen. Es konnte nicht mehr sein als ein Fußbreit, der ihr zum Schlafen zustand. Die Arme musste sie auf dem Bauch verschränken, da sie sonst auf dem Nebenmann zu liegen gekommen wären. Durch das Segeltuch hindurch spürte sie sein rechtes Bein, das gegen das ihre drückte.
    Jetzt nahm sie das erste Mal an diesem Tag das Schwanken des Schiffes und das Knacken des Holzes wahr. Das Schnarchen der Männer, von denen einer in regelmäßigen Abständen von einem trockenen Husten geschüttelt wurde, erschien ihr plötzlich übernatürlich laut. Ihr Mund war trocken. Die Blase drückte. Doch daran, sich zu bewegen oder gar aufzustehen, um einen Schluck Wasser zu nehmen oder welches zu lassen, wagte sie nicht einmalzu denken. Die Zeit schien sich zu dehnen, und sie bemerkte nicht, dass sie einschlief.
    Unvermittelt brüllte die Stimme der Nachtwache in die Stille: »Und jetzt umgewendet!«
    Mary riss den Kopf in die Höhe und erkannte schemenhaft, dass die Männer sich auf die Seite drehten. Der Arm des Nachbarn landete auf ihr, gefährlich nahe der verschnürten Brust, und drückte auf ihre Lungen. Sie blickte ihn an, doch seine Augen waren geschlossen.
Ich kriege keine Luft. Meine Brust. Sein Arm muss da weg,
dachte sie und versuchte, ihn anzuheben.
Wie schwer so ein Arm sein kann. Wenn ich ihn bewege, wird der Kerl wach. Er wird mich anglotzen und dann anfahren, was ich an ihm herumgreife. Ich muss ihn schieben, ganz langsam auf meine Hüfte schieben, das ist ungefährlicher.
Sie platzierte den Arm auf ihrem Beckenknochen. Behutsam legte sie sich wieder nieder und spürte den Atem des Mannes, den er ihr in den Nacken blies.
***
     
    Es war spät geworden. Henriette Fincher saß aufrecht, ein Kissen in den Rücken geschoben, vor ihm. Sie hielt die Hände ineinandergeschlungen und schaute ihm direkt ins Gesicht. »Ich bin mir sicher, dass sich meine Nichte meinem Wunsch widersetzen wollte, demnächst in den Stand der Ehe zu treten. Kaum, dass wir darüber sprachen, verschwand sie. Ihr werdet verstehen, Mr.   Reed, dass wir uns keinen Skandal leisten können. Dass wir verkünden werden, Mary sei Verwandte an der Südküste besuchen.«
    Landon nickte.
Dort auf dem Stuhl, dort hat sie gesessen und mich angelächelt, den Schein des Kaminfeuers im Rücken. Warum ist es in diesem Jahr so kalt? Es ist Sommer, und beständig müssen wir einheizen, um uns zu wärmen.
    »Ich bin Euch sehr dankbar, dass Ihr meiner Bitte entsprecht,uns bei der Suche zu unterstützen. Bitte geht so diskret wie möglich dabei vor. Gern stelle ich Euch unseren Bediensteten William Middleton zur Seite. Er kennt das Mädchen besser als irgendwer in diesem Haus. Nun entschuldigt mich bitte, die ganze Angelegenheit hat mich sehr

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