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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Macao, das nach wie vor eine portugiesische Kolonie war und weit weg an der chinesischen Küste, am Gelben Meer, lag. Die Zirkusleute sprachen Portugiesisch, beherrschten aber auch Englisch.
    Ragnar erzählte ihnen, dass er einst als Kind in Tammisaari beim Aufbau von Zirkuszelten geholfen habe, aber jetzt sei ihm das nicht möglich, da er sich das linke Schienbein gebrochen habe.
    Neben dem Zirkus stand ein Restaurantpavillon, in dem Fischgerichte angeboten wurden. Vor den Gehübungen genossen die beiden Männer eine Hummermahlzeit, dazu wählte Ragnar einen portugiesischen Vinho Verde, einen grünen Wein. Er wusste zu berichten, dass eben dieser frische Wein eigentlich eine Art Champagner des einfachen Mannes war und nur in Portugal hergestellt wurde. Den spritzigen Säuregeschmack erreichte man, indem man die Trauben halb reif erntete, sodass sie beim Gärungsprozess mehr Kohlensäure als üblich entwickelten.
    Bis zum Einbruch der Dunkelheit lernte Ragnar mit seinen Krücken einigermaßen zügig zu gehen. Die beiden hatten dem Vinho Verde so reichlich zugesprochen, dass der betagte Patient ohne seine Krücken vermutlich hingefallen wäre.
    In den Zelten des chinesischen Zirkus wurden farbige Lichter angeknipst, und auch die Laternen im Park begannen die schöne Anlage zu beleuchten. Die beiden Gefährten wankten aufs Zirkusgelände. Die Chinesen reagierten freundlich. Hier und dort werkelten Arbeiter herum, legten letzte Hand an die Aufbauten, strafften Seile und Trossen, verteilten Sägemehl auf dem Boden der runden Manege. Ragnar und Hermanni saßen im Zuschauerraum und verfolgten die Proben des Orchesters. Hoch oben unter der Kuppel blinkten die dicken Seile und zwei Trapezbretter. Ragnar erzählte, dass sein Großvater einst aufgrund einer Wette auf ein Zirkustrapez geklettert war und beim anschließenden Sprung aufs Trampolin zwei Salti gemacht hatte. Er hatte die Wette gewonnen.
    Die Musiker packten ihre Instrumente ein und begaben sich zur Nachtruhe in ihre Wohnwagen. Hermanni und Ragnar blieben allein in dem riesigen Zelt zurück. Vielleicht war es die Wirkung des Vinho Verde, jedenfalls kam Hermanni jetzt auf die Idee, aufs Trapez zu klettern. Das ging auch ganz flott, obwohl der Holzfäller im chinesischen Zirkus Debütant war. Hermanni stellte sich aufs Brett, stieß sich ab und schaukelte nach Herzenslust.
    Ragnar konnte der Versuchung nicht widerstehen, er humpelte zum zweiten Trapez, ließ die Krücken fallen und kletterte ebenfalls hinauf. Es war recht mühevoll, der schwere und steife Gips erschwerte die Zirkusambitionen des Mannes, aber obwohl er betagt und schwer invalidisiert war, schaffte er es. Er gelangte nach oben bis auf die höchste Ebene und begann zu schaukeln wie Hermanni. Sie holten beide gleichzeitig Schwung und pendelten durch die Luft wie die Profis.
    War das lustig! Der leere Zuschauerraum flimmerte vorbei, wenn die beiden kühnen und eifrigen Mannsbilder hoch oben unter der Zirkuskuppel hin und her schwangen. Sie bedauerten, dass das Orchester schon weg war, nun mussten sie selbst den Takt und die Hintergrundmusik johlen. Ragnar war so fasziniert von den herrlichen Luftschwüngen, dass er beschloss, auch eine Fahrt zu wagen und sich zu Hermannis Trapez hinüberzuwerfen, wie es die richtigen Akrobaten machten. Die beiden Männer pendelten im selben Takt, sodass sie sich am höchsten Punkt der Schwungbewegung die Hand reichen konnten, hallo, grüß dich! Und dann ging Ragnar das höchste Risiko ein, er löste die Hände vom Seil und warf sich durch die Luft mit dem Ziel, in Hermannis Armen zu landen.
    »Fang mich!«
    Aber es misslang, und Ragnar Lundmark fuhr wie der Wind ins Leere. Er fiel auf das unten aufgespannte Trampolin, dessen elastische Haut wie von einem Kanonenschuss knallte und den Invaliden wieder in die Höhe beförderte. Der zerbrochene Gips verursachte eine riesige weiße Staubwolke, die bald die ganze Manege füllte. Viele Male fiel Ragnar hinunter und sauste wieder nach oben, bis die Bewegung langsam abebbte und er auf dem Gummituch liegen blieb. Sein Gips war in tausend Stücke zerbrochen, und als Hermanni herunterkam, stellte er fest, dass Ragnars linker Unterschenkel seltsam verrenkt war. Er war gebrochen.

33
    Spät am Abend untersuchte Doktor Seppo Sorjonen Ragnars linkes Bein. Es steckte in neuem Gips, der diesmal eine wirkliche Fraktur fixierte. Sorjonen stellte fest, dass die Lissabonner Klinik gute Arbeit geleistet hatte. Die Bruchstelle war richtig

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