Vom Kämpfen und vom Schreiben
macht mich wahnsinnig. Wenn ich doch Geld hätte, wenn ich doch mehr verdienen würde. Soll ich versuchen, ganze Tage zu arbeiten? Dann müsste ich das Schreiben und die Lesungen sein lassen. Nach ein paar schlaflosen Nächten rede ich mit meinen Jungs über diese Möglichkeit. Nein, sagen sie beide. Lieber jobben sie neben dem Studium – was bei dem Jüngeren, der an sechs Tagen in der Woche bis zu zwölf Stunden in der Akademie ist und auch in seiner Freizeit singen und tanzen üben und Texte lernen muss, gar nicht möglich ist. Der Große hat drei Studienfächer belegt. Beide studieren mit Hilfe des Bafög, haben also nur die Regelstudienzeit zur Verfügung und dürfen nicht ein einziges Semester »versemmeln«. Danach bekämen sie kein Bafög mehr – und ich kann nie im Leben zwei Studierende finanzieren. Nein. Sie müssen sich auf ihre Ausbildung konzentrieren. Ich werde nicht aufgeben, nicht jetzt, nicht nach all den Jahren, nach all den Kämpfen.
Am Tag nach Neujahr biete ich »Vom Kämpfen und vom Schreiben« fünfzig Zeitungen und Radioredaktionen zur Rezension an. Die Verlegerin Sandra Uschtrin meldet sich sofort: Sie hat die Redakteurin der Federwelt, einer wichtigen Autorenzeitschrift, über das Buch informiert. Es soll dort rezensiert werden.
Anfang Januar rufe ich über »novelrank« meine Verkäufe des Jahres von »Vom Kämpfen ...« ab. Und falle fast in Ohnmacht. Laut dieser öffentlich zugänglichen Statistik wurde im Jahr 2011 nur eine zweistellige Anzahl Bücher über Amazon verkauft. Das kann nicht wahr sein, oder?
Monatelang habe ich täglich stundenlang Mails versendet, siebentausend Stück, und unzählige weitere beantwortet, für die paar verkauften Bücher? Kein anderes Buch des Verlags hat im Internet so hohe Verkaufsränge und so viele begeisterte Kundenbewertungen.
Bekannte Kollegen wie Hans Peter Röntgen haben mein Buch rezensiert, der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Schriftsteller, Imre Török, empfiehlt es, die Verlegerin Sandra Uschtrin empfiehlt es.
Ich fühle mich mit allem überfordert. Gibt es Alternativen zu der herkömmlichen Arbeitsweise mit Verlagen? Soll ich vielleicht Kindle-Versionen oder nur noch BOD machen, da gibt’s wenigstens alle drei Monate ein bisschen Geld? Während ich darüber nachdenke, bekomme ich eine Mail von Sandra Uschtrin.
Sie schreibt: »Ich habe mich bei der Lektüre die ganze Zeit gefragt, warum Sie sich immer an irgendwelche Kleinverlage hängen und nicht Ihr eigenes Ding machen. Bei Ihrem Organisationstalent! Ihrem Mut! Ihrem Unternehmungsgeist! Sie als Chefin des Berling-Unternehmens könnten es wirklich zu was bringen – aber bitte ohne all die Leute, die Sie ausbremsen. Was hindert sie daran? Was ist so gut daran, wenig Geld zu verdienen und unberühmt zu sein? Bitte nicht auf halber Strecke stehen bleiben und die Verantwortung über Ihren Erfolg an irgendwen abgeben, sondern Ärmel hochkrempeln und zack! zack! durchstarten.«
Diese Worte gehen mir nicht aus dem Kopf. Immer häufiger denke ich über Alternativen nach, aber so weit ist es noch nicht.
Wenn ich nur daran denke, dass ich wahrscheinlich dasselbe Marketing für den Roman noch mal machen muss, komme ich an mein Limit. Aber das Jammern nutzt nichts, es muss weitergehen.
Das »Kämpfen-Buch« wird in Literaturzeitschriften und Blogs besprochen und bekommt noch mehr hervorragende Rezensionen. Derweil vermarkte ich es weiter, kümmere mich um Lesungen, bekomme aber nur welche für »Jesses Maria«. Ich nehme das »Kämpfen«-Buch immer mit und beginne jede Lesung mit dem ersten Kapitel daraus. Dreitausend Bewerbungen für Lesungen gehen raus, täglich verhandle ich mit Veranstaltern, mache Marketing für das eine Buch, arbeite mit der Lektorin am anderen. Ich kümmere mich um den Entwurf und den Druck von Werbemitteln wie Flyern, Visitenkarten, Plakaten, intensiviere die Social-Media-Aktivitäten, pflege meine Webseite samt Blog. Ich beginne die Konzeptarbeit an einem neuen Manuskript: einem Porträtbuch mit homosexuellen Menschen. Abends führe ich oft lange Gespräche mit meinen Kindern, deren Leben durch den Supergau »Tod« aus den Fugen geraten ist. Zeit zum Trauern bleibt da nicht. Zeit zum Leben auch nicht. Ich muss mir was überlegen.
Der Manager
Bereits im Oktober habe ich bei Facebook ein Posting geschaltet: »Kann sich bitte mal jemand bei mir als Manager bewerben?«
Ich meinte das eigentlich gar nicht ganz ernst, aber es melden sich einige Leute, die sich
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