Vom Kriege
eminente Vorteile gewährt:
[470] 1. Die Wendung macht es dem Gegner unmöglich, seine alten Verbindungslinien beizubehalten; die Einrichtung von neuen ist aber immer eine schwierige Sache, wozu noch kommt, daß er seine Richtung nur nach und nach verändert, also wahrscheinlich mehr als einmal eine neue Verbindungslinie suchen muß.
2. Beide Teile nähern sich auf diese Weise der Grenze wieder; der Angreifende deckt seine gemachten Eroberungen nicht mehr durch seine Stellung und muß sie höchstwahrscheinlich aufgeben. Rußland mit seinen ungeheuren Dimensionen ist ein Reich, worin sich zwei Heere auf diese Weise förmlich Zeck jagen können.
Aber auch bei kleineren Oberflächen bleibt eine solche Wendung möglich, wenn die übrigen Umstände sie begünstigen, welches nur aus allen Verhältnissen des einzelnen Falles entnommen werden kann.
Ist die Richtung einmal bestimmt in welcher der Feind ins Land hineingezogen werden soll, so folgt von selbst, daß unsere Hauptmacht diese Richtung hatte, denn sonst würde der Feind die seinige nicht dahin vorgehen lassen, und täte er es auch, so würden wir nicht imstande sein, ihm dabei alle die Bedingungen aufzulegen, die wir oben vorausgesetzt haben. Es kann also nur die Frage sein, ob man mit der ungeteilten Macht diese Richtung halten, oder mit bedeutenden Teilen derselben nach der Seite hin ausweichen und also seinen Rückzug exzentrisch machen soll.
Auf diese Frage müssen wir antworten, daß diese Form an sich verwerflich ist:
1. Weil die Kräfte dadurch mehr verteilt werden, das Zusammenhäufen derselben auf einen Punkt aber gerade eine Hauptschwierigkeit für den Angreifenden ist.
2. Weil der Gegner in den Vorteil der innern Linie kommt, mehr als wir vereinigt ist, und folglich auf einzelnen Punkten um so überlegener sein kann. Nun ist freilich diese Überlegenheit bei einem System weniger zu fürchten, was vorderhand immer im Ausweichen besteht, allein immer ist die Bedingung dieses Ausweichens, dem Gegner furchtbar zu bleiben, nicht von ihm zu Paaren getrieben zu werden; das könnte aber eintreten. Ferner ist die Bedingung dieses Rückzugs, nach und nach bei der Hauptmacht zu einer Überlegenheit zu kommen, um die Entscheidung geben zu können, welches aber bei der Teilung der Kräfte ungewiß bleiben würde.
3. Weil überhaupt das konzentrische Wirken auf den Feind dem Schwächeren nicht ziemt.
4. Weil durch eine solche Stellung der Kräfte ein Teil der feindlichen Schwäche ganz eliminiert wird.
Die Hauptschwächen eines weit vorgehenden Angriffs sind nämlich: die langen Verbindungslinien, die offenen strategischen Flanken. Durch die exzentrische Form des Rückzuges wird der Angreifende genötigt, einen Teil [471] seiner Macht nach der Seite Front machen zu lassen, und dieser Teil, welcher eigentlich nur bestimmt sein sollte, unsere ihm entgegenstehende Streitkraft zu neutralisieren, tut gewissermaßen nebenher noch etwas anderes, nämlich einen Teil der Verbindungslinien zu schützen.
Für die bloße strategische Wirkung des Rückzugs also ist die exzentrische Form nicht vorteilhaft; soll sie aber eine spätere Wirkung auf die feindliche Rückzugslinie vorbereiten, so müssen wir an das im vorigen Kapitel Gesagte erinnern.
Nur ein Zweck kann zu einem exzentrischen Rückzug veranlassen: wenn wir nämlich dadurch Provinzen sichern können, die der Feind sonst besetzt haben würde.
Welche Landstriche rechts und links der Vorgehende besetzen wird, läßt sich meistens mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung und Richtung seiner Kräfte, aus der Lage seiner Provinzen, Festungen usw. gegen die unsrigen vorhersehen; diejenigen Landstriche, welche er wahrscheinlich intakt lassen wird, mit Streitkräften zu versehen, wäre eine gefährliche Kraftverschwendung. Ob man aber in denjenigen Landstrichen, welche der Angreifende, wahrscheinlich besetzen wird, imstande sein wird, ihn durch eine aufgestellte Streitkraft daran zu verhindern, ist schon schwieriger zu übersehen, und es hängt also dabei viel von dem Takt des Urteils ab.
Als die Russen 1812 zurückgingen, ließen sie unter Tormassow 30000 Mann in Wolhynien gegen die österreichische Macht, die in diese Provinz einbrechen sollte. Die Größe der Provinz, die mancherlei Schwierigkeiten des Bodens, welche sie darbietet, die nicht überlegene Macht, mit welcher sie angegriffen werden sollte, berechtigen zu der Hoffnung, daß die Russen auf dieser Seite ihrer Grenze die Oberhand behalten oder
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