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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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130000 Mann stark; es ist kein Grund vorhanden, daß sie, wenn diese Schlacht von den Russen auf dem halben Weg von Kaluga angenommen worden wäre, dort hätten stärker sein sollen; wieviel hätten sie aber von dieser Macht entbehren können, um es auf Moskau zu schicken? Offenbar sehr wenig; mit wenig Truppen aber kann man nicht auf 50 Meilen (dies ist die Entfernung von Smolensk nach Moskau) eine Entsendung gegen einen Ort wie Moskau machen.
    Gesetzt, Bonaparte hätte bei Smolensk, wo er nach den Gefechten etwa noch 160000 Mann stark war, geglaubt, eine Entsendung nach Moskau wagen zu dürfen, ehe noch eine Hauptschlacht erfolgt war, und dazu 40000 Mann genommen, während 120000 Mann der russischen Hauptarmee gegenüber geblieben wären, so würden diese 120000 Mann in der Schlacht etwa nur 90000 gewesen sein, nämlich 40000 schwächer als bei Borodino; die Russen würden also ein Übergewicht von 30000 Mann gehabt haben. Wenn man den Verlauf der Schlacht von Borodino als Maßstab nimmt, so ist wohl zu glauben, daß sie damit Sieger geblieben wären. In jedem Fall wäre das Resultat dieses Kalküls ein viel besseres gewesen als das Verhältnis bei Borodino. Aber der Rückzug der Russen war kein Werk überdachten Planes; man ging so weit zurück, weil man in jedem Augenblick, wo man die Schlacht annehmen wollte, sich noch nicht stark genug dazu fand; alle Erhaltungs- und Verstärkungsmittel waren auf die Straße von Moskau auf Smolensk [469] gerichtet, und es konnte in Smolensk niemand einfallen, diese Straße zu verlassen. Außerdem aber würde ein Sieg zwischen Smolensk und Kaluga in den Augen der Russen das Unrecht niemals gutgemacht haben, Moskau nicht zu decken und einer möglichen Besitznahme preiszugeben.
    Noch gewisser hätte Bonaparte 1813 Paris vor einem Anfall schützen können, wenn er seine Aufstellung merklich seitwärts, etwa hinter dem Kanal von Bourgogne, genommen und in Paris nur einige tausend Mann mit seinen zahlreichen Nationalgarden gelassen hätte. Niemals hätten die Verbündeten den Mut gehabt, ein Korps von 50 bis 60000 Mann auf Paris gehen zu lassen, während sie Bonaparte mit 100000 Mann bei Auxerre wußten. Umgekehrt würde wohl niemand einem verbündeten Heer in Bonapartes Lage geraten haben, den Weg zur eigenen Hauptstadt zu verlassen, wenn er der Gegner war. Mit solcher Überlegenheit würde er nicht einen Augenblick angestanden haben, auf die Hauptstraße loszugehen. So verschieden wird sogar unter denselben Umständen, aber bei andern moralischen Verhältnissen das Resultat sein.
    Wir wollen nur noch bemerken, daß bei einer solchen Seitenrichtung in jedem Fall die Hauptstadt oder der Ort, welchen man dadurch außer Spiel bringen will, einige Widerstandsfähigkeit haben muß, um nicht von jedem Streifer besetzt und gebrandschatzt zu werden, und dann diesen Gegenstand hier fallen lassen, weil wir in der Folge bei dem Kriegsplan doch noch einmal darauf zurückkommen werden.
    Aber noch eine andere Eigentümlichkeit in der Richtung einer solchen Rückzugslinie müssen wir betrachten, nämlich die einer plötzlichen Wendung. Nachdem die Russen bis Moskau dieselbe Richtung behalten hatten, verließen sie diese, die sie nach Waladimir geführt haben würde, gingen zuerst in der auf Riazan weiter und dann in die von Kaluga über. Hätten sie ihren Rückzug fortsetzen müssen, so konnte solcher füglich in dieser neuen Richtung geschehen, welche sie nach Kiew geführt haben würde, also der feindlichen Grenze wieder viel näher. Daß die Franzosen, wenn sie den Russen in dieser Zeit auch noch merklich überlegen gewesen wären, das ungeheure Knie ihrer Verbindungslinie über Moskau nicht hätten behaupten können, ist wohl an sich klar; sie hätten nicht allein Moskau, sondern höchstwahrscheinlich auch Smolensk aufgeben, also die mühsam gemachten Eroberungen wieder verlassen und sich mit dem Kriegstheater diesseits der Beresina begnügen müssen.
    Nun wäre freilich das russische Heer in denselben Nachteil getreten, dem es sich ausgesetzt hätte, wenn es gleich anfangs die Richtung auf Kiew hätte einschlagen wollen, nämlich von der Hauptmasse seiner Staaten getrennt zu sein; aber dieser Nachteil wurde nun fast illusorisch, denn in welcher ganz andern Verfassung würde das feindliche Heer bei Kiew angekommen sein, wenn es nicht die Reise über Moskau gemacht hätte.
    Es ist klar, daß eine solche plötzliche Wendung der Rückzugslinie, die bei großen Dimensionen sehr tunlich ist,

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