Vom Kriege
sentenzreiche Kapitel, die ich anfangs nur Körner nennen wollte, würden den geistreichen Menschen anziehen ebensosehr durch das, was weiter aus ihnen entwickelt werden konnte, als durch das, was sie selbst feststellten; es schwebte mir also ein geistreicher, schon mit der Sache bekannter Leser vor. Allein meine Natur, die mich immer zum Entwickeln und Systematisieren treibt, hat sich am Ende auch hier wieder hervorgearbeitet. Eine Zeitlang vermochte ich es über mich, aus den Abhandlungen, welche ich über einzelne Gegenstände schrieb, weil sie mir dadurch selbst erst recht klar und sicher werden sollten, nur die wichtigsten Resultate [25] herauszuheben und also den Geist in ein kleineres Volumen zu konzentrieren; später aber ist meine Eigentümlichkeit völlig mit mir durchgegangen, ich habe entwickelt, was ich gekonnt habe, und mir dann natürlich dabei einen mit dem Gegenstand noch nicht bekannten Leser gedacht.
Je mehr ich fortgearbeitet, je mehr ich mich dem Geiste der Untersuchung hingegeben habe, um so mehr bin ich auch auf das System zurückgeführt, und so sind denn nach und nach Kapitel eingeschaltet worden.
Meine letzte Absicht war nun, alles noch einmal durchzugehen, in den früheren Aufsätzen manches mehr zu motivieren, in den späteren vielleicht manche Analyse in ein Resultat zusammenzuziehen und so ein erträgliches Ganze daraus zu machen, welches einen kleinen Oktavband bildete. Aber auch dabei wollte ich durchaus alles Gewöhnliche, was sich von selbst versteht, hundertmal gesagt, allgemein angenommen ist, vermeiden; denn mein Ehrgeiz war, ein Buch zu schreiben, was nicht nach zwei oder drei Jahren vergessen wäre, und was derjenige, welcher sich für den Gegenstand interessiert, allenfalls mehr als einmal in die Hand nehmen könnte.«
In Koblenz, wo er viele Dienstgeschäfte hatte, konnte er seinen Privatarbeiten nur abgebrochene Stunden widmen; erst durch seine im Jahre 1818 erfolgte Ernennung zum Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin gewann er die Muße, seinem Werk eine weitere Ausdehnung zu geben und es auch durch die Geschichte der neueren Kriege zu bereichern. Diese Muße söhnte ihn auch mit seiner neuen Bestimmung aus, die ihm in anderer Hinsicht wohl nicht ganz genügen konnte, da nach der einmal bestehenden Einrichtung der Kriegsschule der wissenschaftliche Teil der Anstalt nicht unter dem Direktor steht, sondern von einer besonderen Studien-Kommission geleitet wird. So frei er auch von jeder kleinlichen Eitelkeit, von jedem unruhigen, egoistischen Ehrgeiz war, so fühlte er doch das Bedürfnis, wahrhaft nützlich zu sein und die Fähigkeiten, mit welchen Gott ihn begabt hatte, nicht ungebraucht zu lassen. Im tätigen Leben stand er nicht an einer Stelle, wo dies Bedürfnis Befriedigung finden konnte, und er machte sich wenig Hoffnung, noch einst zu einer solchen zu gelangen; sein ganzes Streben richtete sich also auf das Reich der Wissenschaft, und der Nutzen, den er einst durch sein Werk zu stiften hoffte, wurde der Zweck seines Lebens. Wenn trotzdem der Entschluß, dies Werk erst nach seinem Tode erscheinen zu lassen, immer fester in ihm wurde, so ist dies wohl der beste Beweis, daß kein eitles Verlangen nach Lob und Anerkenntnis, keine Spur irgendeiner egoistischen Rücksicht diesem edlen Drange nach einer großen und dauernden Wirksamkeit beigemischt war.
So arbeitete er eifrig fort, bis er im Frühjahr 1830 zur Artillerie versetzt und seine Tätigkeit nun auf eine ganz andere Weise, und zwar in so hohem Grade in Anspruch genommen wurde, daß er, wenigstens fürs erste, allen schriftstellerischen Arbeiten entsagen mußte. Er ordnete seine Papiere, versiegelte die einzelnen Pakete, versah sie mit Aufschriften und nahm einen [26] wehmütigen Abschied von dieser ihm so liebgewordenen Beschäftigung. Er wurde im August desselben Jahres nach Breslau versetzt, wo er die zweite Artillerie-Inspektion erhielt, aber schon im Dezember wieder nach Berlin zurückberufen und als Chef des Generalstabes bei dem Feldmarschall Grafen von Gneisenau (für die Dauer des demselben verliehenen Oberkommandos) angestellt. Im März 1831 begleitete er seinen verehrten Feldherrn nach Posen. Als er nach dem schmerzlichen Verlust im November von dort nach Breslau zurückkehrte, erheiterte ihn die Hoffnung, sein Werk wieder vornehmen und vielleicht im Laufe des Winters vollenden zu können. Gott hatte es anders gewollt; er war am 7. November nach Breslau zurückgekehrt, am 16. war er nicht
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