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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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auf Vincent und mich zu und ließ uns durch die Absperrung treten. Vincent hatte seinen Arm eng um meine Taille geschlungen, damit klar war, dass ich mitkommen würde.
    Nun konnte ich mich ungehindert umsehen und erkannte drei Personen, die sich auf dem Boden in Ufernähe befanden. Eine lag in einiger Entfernung von den anderen beiden. Es war ein kleiner Junge, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, der sich in eine Decke gewickelt auf einer Trage befand. Eine Frau kauerte in der Nähe seines Kopfes und weinte leise, während sie seine Haare trocken rubbelte. Zwei Sanitäter flankierten ihn und halfen dem zitternden Jungen dabei, sich aufzusetzen. Sie hatten ihn so gedreht, dass er die anderen beiden Personen nicht sehen konnte. Nun stellten sie ihm und der Frau Fragen. Ihm ging es offensichtlich gut.
    Das konnte man über das Mädchen nicht sagen, das nur wenige Meter entfernt lag. Sie war vermutlich genauso alt wie der Junge. Um ihren Kopf hatte sich eine Pfütze aus Blut gebildet. Eine völlig aufgelöste Frau hockte neben ihr und schrie Unverständliches.
    Oh, nein, dachte ich. Das halte ich nicht durch. Ich nahm all meine Kraft zusammen, um ruhig zu bleiben und nicht in Tränen auszubrechen. Wie sollte ich denn Charlotte unterstützen, wenn ich jetzt hier durchdrehte?
    Noch ein paar Meter weiter befand sich die dritte Person, ein Erwachsener. Ich konnte nicht sagen, ob Mann oder Frau, weil das Gesicht blutverschmiert war. Eine Rettungsdecke war über den Körper gebreitet, doch offensichtlich nicht, um ihn zu wärmen. Die verbergen damit bestimmt etwas ganz Grausames, dachte ich. Dann erkannte ich das Mädchen, das neben ihm kniete.
    Im Gegensatz zu den anderen Angehörigen war Charlotte nicht hysterisch. Sie weinte bitterlich, aber sie wirkte eher niedergeschlagen als schockiert. Ihre Hände ruhten auf der Decke, so als wolle sie verhindern, dass die Leiche ihres Bruders wegflog. Sie sah sich um, nachdem Vincent ihren Namen gerufen hatte. Als sie uns sah, stand sie auf.
    »Alles wird gut, Charlotte«, flüsterte Vincent und schloss sie in die Arme. »Das weißt du doch.«
    »Ja«, schluchzte sie. »Aber einfacher macht es das Ganze trotzdem nicht.«
    »Schhhh«, machte Vincent und drückte sie fest an sich. Dann löste er sich und überließ sie mir sanft. »Kate ist deinetwegen mitgekommen. Sie kann dich mit dem Taxi nach Hause bringen, wenn du möchtest.«
    »Nein.« Charlotte schüttelte den Kopf und griff gleichzeitig nach meiner Hand, als wäre sie ein Sicherungsseil. »Ich möchte noch bleiben, bis er im Krankenwagen ist.«
    Vincent drehte sich zu mir um. Kommst du hier allein klar?, formte er lautlos mit den Lippen und bedachte mich mit einem besorgten Blick. Als ich nickte, ging er zu Jean-Baptiste hinüber. Zusammen liefen sie zu einem dritten Krankenwagen, der gerade eben angekommen war. Ambrose kletterte schwungvoll aus der Beifahrertür und sah so stark und gesund aus wie ein Model aus einer Fitnessbroschüre.
    Charlotte war wieder neben Charles zusammengesackt und strich mit ihren Händen über die Decke, als wolle sie ihn durch die Reibung aufwärmen. Ich sagte sanft: »Wenn du’s mir nicht erzählen willst, brauchst du natürlich nicht zu antworten. Aber was ist passiert?«
    Sie atmete tief aus, ihr Gesicht war gezeichnet von dem, was sie erlebt hatte und verriet ein wenig, wie sie aussehen würde, wäre sie normal gealtert. Mit zitternder Hand deutete sie auf das nun leere Schiff. »Das Boot dort war für einen Kindergeburtstag gemietet worden. Charles und ich gingen in Ufernähe spazieren, Gaspard begleitete uns volant und warnte uns, dass die Kinder in den Fluss fallen würden. Charles sprang ins Wasser und erreichte den Jungen, als er gerade unter der Oberfläche verschwand. Er brachte ihn zu mir an Land, wo ich den Kleinen Mund zu Mund beatmete. Dann schwamm er zurück, um das Mädchen zu holen, doch sie befand sich bereits im Strudel der Schiffsschraube. Er konnte nichts mehr machen, sie wurde hineingesaugt. Und danach er selbst.«
    Sie klang völlig emotionslos, während sie das erzählte, fing aber sofort wieder an, leise zu weinen, nachdem sie fertig war. Ihre Schultern bebten und stießen leicht gegen meinen Arm. Ich spürte, wie auch mir die Tränen kamen, und zwickte mich fest. Reiß dich zusammen , sagte ich mir. Wenn du jetzt hier rumflennst, hilft das Charlotte auch nicht.
    Mein Blick streifte zum Ufer, als zwei Polizeitaucher aus dem Wasser stiegen. Der Rettungssanitäter, der

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