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Von Draussen

Von Draussen

Titel: Von Draussen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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wir für die Karten Wissen kaufen. Und Wahrheit. Begleitest du mich, Emily?“
    Der Aufzug stoppt. „Ich habe mir unser Zusammensein zwar etwas anders vorgestellt ... aber meinetwegen.“
    Wir treten Hand in Hand in das grelle Weiß des Foyers. Die Wächter und die Empfangsdame schauen dezent zur Seite.

- 6 -

    Die Dämmerung ist angebrochen.
    Keine zwei Kilometer östlich des Sato-Towers ist ein Teil der Stadt wie ausgestorben. Es gibt kein Licht in den schmutzigen Fenstern. Selbst die Straßenlaternen funktionieren nicht. Aus einer dunklen Ecke dringt ein stetiges Rascheln. Es sind Greybugs. Ein ganzes Nest. Hunderte wuseln übereinander und verursachen dabei dieses Geräusch.
    „Man hat die Gegend praktisch aufgegeben“, erklärt Jonathan und drängt mich zum Weitergehen. „Der Verfall dringt mittlerweile bis ins Zentrum vor.“
    Am Straßenrand steht sogar noch das ausgebrannte Wrack eines Fahrzeugs. Eine Gestalt rennt gebückt über die Neal Street und taucht in den Schatten unter. Hier gefällt es mir überhaupt nicht. Jonathan muss meine Unruhe spüren. „Ich war hier schon öfters“, sagt er. „Es wird dir nichts geschehen.“
    Nach ein paar Schritten verharrt er vor einem Gebäude, das so aussieht, als würde es in naher Zukunft einfach von selbst einstürzen. Im Erdgeschoss gab es mal einen Laden. Die Schaufensterscheibe wurde zerschmettert. Solche Läden waren die unpraktischen Vorläufer der Bedarfs-Center. Manche spezialisierten sich damals auf den Verkauf von Obst, Männerkleidung oder Schreibwaren. Heute bekommt man alles an einem Ort. Vorausgesetzt, dass es keine Engpässe bei der Zuteilung gibt.
    Irgendwo schreit ein Baby. Das ruft bei mir blankes Entsetzen hervor. Was macht ein Baby in dieser Gegend? Es muss doch allerbeste Pflege und Versorgung erhalten. Schließlich gibt es nur sehr wenige von ihnen.
    Jonathan scheint den Schrei gar nicht wahrgenommen zu haben. „Wir sind da.“ Er öffnet die Tür und verschwindet im Inneren des leerstehenden Ladens. „Kommst du?“, klingt seine Stimme aus dem Dunkel. Ich folge ihm in der Hoffnung, dass er weiß, was er tut.
    Jonathan schaltet eine Taschenlampe ein. Obwohl sie nicht größer als ein Schreibstift ist, wirft sie einen fast zwei Meter großen Kreis in die Schwärze. Ein länglicher brauner Körper huscht mit seltsam bucklig-schaukelnden Bewegungen aus dem Licht. Ohne es zu wollen, stoße ich einen spitzen Schrei aus.
    „Ratten“, kommentiert Jonathan. „Im Gegensatz zu den Greybugs halten sie sich schon immer in der Nähe von uns Menschen auf.“
    „Parole?“, höre ich eine fremde Stimme und klammere mich an Jonathans Arm fest.
    „Donuts sind ausverkauft“, erwidert Jonathan gelassen.
    Ein junger Mann, nur wenig älter als wir, tritt vor und schirmt sein Gesicht mit der Hand gegen den Schein der Lampe ab. „Rein mit euch“, sagt der Fremde und gibt den Weg in einen schmalen Flur frei.
    „Wo sind wir?“, frage ich. „Und was soll das mit der Parole?“
    „Das war hier früher Amy’s Bakery . Wir gehen in die Backstube. Da wurde der Kuchen gebacken, um ihn dann vorn im Laden zu verkaufen. Heute ist die Backstube ein Treffpunkt für alle, denen das offizielle Porterville zu langweilig ist. Man könnte es auch als illegale Bar bezeichnen.“
    „Was ist eine Bar?“, frage ich.
    „Ein Ort, an dem sich die Menschen früher getroffen haben, um miteinander zu reden und Alkohol zu trinken.“
    Der Flur endet vor einer Metalltür. Jonathan legt die Hand auf die Klinke. „Es ist besser, wenn niemand weiß, dass ich der Enkel des Bürgermeisters bin.“
    Die ehemalige Backstube ist voller Menschen. Sie sind bis auf ein paar Ausnahmen alle ungefähr in unserem Alter. Sie hocken dicht gedrängt an Tischen, lehnen an Wänden oder hocken auf dem Boden und reden. Es wird viel gelacht. Ein mir unbekannter Geruch liegt in der Luft.
    Jonathan steckt einem Typen, der direkt neben der Tür steht eine Mac-Kingsley-Karte, einen Sechser, zu. Der Türsteher führt uns quer durch den Raum zu einem freien Tisch. Die Menge teilt sich vor ihm. Er lässt das Schild mit dem Schriftzug Reserviert in der Jackentasche verschwinden.
    „Du bist wohl öfters hier“, bemerke ich und sehe mich um. Niemand der Anwesenden kommt mir bekannt vor. Auffällig ist das enge Miteinander beider Geschlechter, das ansonsten in Porterville nicht gern gesehen wird. Ich frage mich, ob die zuständige Instanz von der Existenz dieses Ortes weiß.
    Eine junge Frau stellt uns

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