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Von Draussen

Von Draussen

Titel: Von Draussen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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und eine helle Frauenstimme ruft: „Ah, da seid ihr ja!“
    Ich wende mich um. Die Frau muss Jonathans Großmutter sein. Eleanor Dare-Sato. Sie wirkt in der engen Hose aus schwarzem Leder, die ihre schlanke Figur unterstreicht, beinahe jugendlich. Ihre Haarfarbe ist recht ungewöhnlich. Die sorgsam gelegten Locken sind von einem intensiven Rot.
    Sie eilt auf ihren hohen Absätzen auf mich zu und legt mir für ein paar Sekunden die Hand an die Stirn. Als wolle sie sicher sein, dass ich kein Fieber habe. Eine eigenartige Form der Begrüßung. Sie trägt einen klobigen Ring an einem Finger. Ich kann die Kälte des Metalls auf meiner Haut spüren.
    Aus der Nähe schwindet der Eindruck ihres jugendlichen Aussehens. Falten umrahmen ihre Augen und den Mund. Die lassen sich auch nicht von dem großzügig aufgetragenen Make-up verdecken.
    Das optische Erscheinungsbild der Gattin des Bürgermeisters unterscheidet sich sehr von dem, was sie uns in der Schule eintrichtern. Dort heißt es immer: Sei bescheiden und kleide dich nicht eitel! Würde ich es wagen, mein hellbraunes Haar auch nur dezent zu tönen, hätte das eine sofortige Abmahnung und mindestens einen zusätzlichen Arbeitseinsatz zur Folge.
    „Es freut mich, dich kennenzulernen“, verkündet Mrs. Dare-Sato und stemmt die Arme in die Hüften. „Ich war sehr gespannt darauf, wie du aussiehst.“ Sie droht ihrem Enkel scherzhaft mit dem Zeigefinger. „Der Junge ist ja so was von verschwiegen. Ich musste ihn förmlich verhören.“
    Jonathan verdreht die Augen.
    „Du bist hübsch“, sagt sie. „Setzen wir uns. Ich lasse uns einen Tee bringen.“
    Wir folgen ihr zu einer der vielen Sitzgruppen in dem saalartigen Wohnzimmer. Auf einem Tisch steht eine Schale mit Obst. Orangen, Weintrauben und eine Frucht von der Größe und Form eines Footballs. Die violette Schale ist von winzigen gelben Flecken übersät. Frisches Obst bekomme ich nur selten zu sehen, aber diese Sorte ist mir völlig unbekannt.
    Mrs. Dare-Sato hat mein Erstaunen bemerkt.
    „Eine neue Züchtung meines Mannes“, erklärt sie. „Schmeckt wie eine sehr aromatische Mischung aus Ananas und Banane.“
    Ich verschweige, dass ich bisher keine der genannten Früchte probieren konnte. In der Schulkantine geben sie uns bei besonderen Anlässen Rosinen.
    Eine junge Asiatin serviert uns Tee und Gebäck und verschwindet ebenso lautlos, wie sie aufgetaucht ist.
    „Wie geht es deinem Großvater?“ Mrs. Dare-Sato nippt an ihrem Tee. „Er hatte lange Zeit vor deiner Geburt einen sehr verantwortungsvollen Beruf. Wusstest du davon? Er war sozusagen der Herr der Bücher.“
    „Ja“, erwidere ich nur und verschweige, dass ich es erst vor wenigen Stunden erfahren habe.
    „Heute liest bedauerlicherweise niemand mehr.“ Mrs. Dare-Sato wiegt den Kopf bedauernd hin und her. Ich denke daran, dass fast alle alten Bücher verschwunden sind. Bis auf die paar hundert Exemplare, die Großvater hortet. Vor ein paar Jahren habe ich versucht, eines von ihnen zu lesen. Großvater hatte es mir empfohlen. Es handelte von einem kleinen Mädchen, dass von einem Sturm in ein fremdes Land getragen wurde. Dort traf es auf seltsame Gestalten, deren Bedeutung ich mir von Großvater erklären lassen musste. Das war sehr mühselig und ich schaffte es nicht bis zum Ende des Buches. In Porterville erfährt man eben nichts über Hexen, Vogelscheuchen und Zauberer. Und von Orten wie Kansas und dem Land Oz hatte ich auch noch nie gehört.
    „Spricht Mr. Prey mit dir über die Vergangenheit?“, fragt Mrs. Dare-Sato.
    Ich greife bereits nach dem dritten Keks. Das mag vielleicht unhöflich und gierig erscheinen, aber sie schmecken einfach viel zu köstlich. Sie wurden garantiert nicht mit Supreme zubereitet.
    „Eigentlich gar nicht“, erwidere ich. „Meistens rede ich. Er will immer wissen, was ich in der Schule lerne und so.“
    Die Antwort scheint Mrs. Dare-Sato zufriedenzustellen. „Greif nur zu.“ Sie schiebt den Teller mit den Keksen näher zu mir. „Und was habt ihr zwei heute vor?“
    Ich suche nach einer Antwort. Schließlich kann ich ihr nicht sagen, dass ich hoffe, mit ihrem Enkel allein sein zu können. Um mehr zu erleben als ein paar eilige Küsse.
    Ihr Gesicht verzieht sich zu einer angeekelten Grimasse und mir kommt augenblicklich der verrückte Gedanke, dass sie meine Gedanken lesen kann. Aber sie sieht in Wirklichkeit an mir vorbei zur Fensterfront. Ich wende mich um und entdecke mehrere Greybugs auf dem Glas. Sie

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