Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
Vom Netzwerk:
steigt der Bauer in sein Flugzeug und um unerwünschten Besuch fernzuhalten, zäunt er seinen Besitz meterhoch ein. In aller Herrgottsfrüh verließen wir Windhuk Richtung Norden. Auch Rolf befand sich wieder unter uns. Verschwitzt, zerlumpt, aber mit Ballon, war er spät am Abend zurückgekehrt, als ich gerade die Luft aus der letzten Flasche Windhuk- Lager ließ, während mir Wolfi zum x-ten Mal sein Sicherheitskonzept erläuterte: „Alarmanlage. Stacheldraht. Glasscherben. Denke über eine lasergesteuerte Selbstschussanlage nach. Bei mir bricht keiner ein.“ Ich war froh, seine Festung verlassen zu können, auch wenn die Alternative hieß, den Geländewagen über eine Wellblechpiste steuern zu müssen.
    Wir waren seit einigen Stunden unterwegs, als Rolfs Stimme aus dem Walkie-Talkie kam.
    „Siehst du auch, was ich sehe?“
    Seit wir in Windhuk aufgebrochen waren, fuhren wir an Zäunen entlang. Mir wurde klar, wer es in Namibia zu etwas bringen will, musste ins Stacheldrahtgeschäft einsteigen.
    „Das ist echt schlecht für den Ballon“, sagte Rolf.
    Ach ja. Der Ballon. Für einen süßen Moment hatte ich ihn vergessen.
    „Müssen wir wohl über die Zäune klettern“, sagte Rolf. „Hast du die Namen der Farmen gesehen? Ulkig. Gerade sind wir am Schwarzwald vorbeigekommen.“
    Wie man das aus amerikanischen Western kennt, weisen in Namibia Schilder an Einmündungen von Schotterpisten tief ins Landesinnere, wo man nach 20, 30 Kilometer Fahrt auf das Farmhaus stößt. Die Namen erzählen viel über die wechselvolle Geschichte des Landes. Da gibt es deutsche Namen wie „Schwarzwald“, „Richthofen“, „Heimat“, „Hochfeld “ und „Schweinsberg“. Britische wie „The Dunes“, „Yellow Bank“ und „Daylight“. Niederländische wie „Groot Ester “ und „Lacockshoop“. Und welche in den Sprachen einheimischer Volksgruppen: „Omakuara“, las ich, „Okatjeru“ und „Okawatuta“. Unser Tagesziel hieß „Oijikango“. Trotz dieser Namen gehören diese Farmen nicht Herero- oder Ovambo-Familien, und auch „Oijikango“ machte da keine Ausnahme. Sie befand sich im Besitz des deutschstämmigen Farmers Bruno Gretzmann, der bereits in der dritten Generation eine Rinderzucht betrieb. Während unseres Telefonats vor der Abreise hatte er mir die größten Steaks westlich des Swakop River versprochen, sollten wir bei ihm vorbeischauen.
    Wie sich herausstellte, war das keine Übertreibung. In einem Land, in dem der nächste Nachbar nicht um die Ecke wohnt, wird Besuch noch hoch geschätzt, und so fiel der Empfang auf Bruno Gretzmanns Farm mehr als herzlich aus. Während wir versuchten, unsere vibrierenden Muskeln unter Kontrolle zu bekommen, führte uns Bruno herum.
    Die Farm maß stolze 144 km 2 , und von seinen 1600 Rindern kannte er jedes beim Namen – auch das, welches gerade zu Steaks verarbeitet wurde. Dafür war Horst zuständig, ein kleiner, drahtiger Mann um die 60 Jahre. Er legte sein Schlachtermesser von der Größe einer Machete beiseite, wischte sich die blutigen Hände an der Schürze ab und umarmte uns begeistert.
    „Bin 30 Jahre zur See gefahren“, sagte er. „Heute Abend gibt's Seemannssteak à la Kalahari. Danach braucht ihr eine Woche lang nichts mehr zu essen.“
    Dann legten sich zwei Hände über meine Augen, und eine Stimme sagte: „Überraschung!“
    Ich ahnte, zu den Händen gehörte eine Frau, die gerne hilflose Schriftsteller mit Rotwein abfüllt, um ihnen unmögliche Versprechen zu entlocken. Ich wandte mich um, und Dr. Anne Hansen strahlte mich an. Mir schwindelte. Erst die Wellblechpiste, dann diese Augen. Somit war meine nicht besonders schlagfertige Antwort zu entschuldigen.
    „Wie kommst du hierher?“, fragte ich.
    „Mit dem Auto“, sagte sie. „Hat echt Spaß gemacht, die Rüttelfahrt.“
    Es gehörte zu ihrem Beruf, sich auf abenteuerliche Wege zu begeben. Dr. Anne Hansen interessierte sich für Teufelskralle, Bruno besaß Teufelskralle – es war also kein Wunder, dass sie den beschwerlichen Weg zu seiner Farm auf sich genommen hatte.
    Dann trat Bruno mit einem Vorschlag zu uns.
    „Lasst uns ein bisschen rausfahren“, sagte er. „Auf einen Sundowner.“
    Das „Bisschen-rausfahren“ entpuppte sich als einstündige Fahrt durch offenes Gelände. Die Trockensavanne, die nördlich von Windhuk beginnt und sich bis an die angolanische Grenze erstreckt, ist mit niedrigem Buschwerk bewachsen. Das Land ist flach und unendlich, der Horizont in weiter Ferne.

Weitere Kostenlose Bücher