Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
mal hier, mal dort galten? Weil Jahreszahlen eben oftmals Schall und Rauch sind. Geschichtliches Wissen heißt nicht, viele Jahreszahlen auswendig zu wissen, sondern Zusammenhänge zu
er
kennen. Hätte ich das nur früher gewusst! Wie entspannt hätte ich in der Schule auf die Frage des Lehrers reagiert: «Sebastian, in welchem Jahr war die Französische Revolution?» – «Hm, meinen Sie jetzt nach dem burmesischen Kalender oder dem buddhistischen? Nein, ich denke das Jahr der Französischen Revolution sollten wir doch am besten im Französischen Revolutionskalender suchen. Nach ihm wurden die Jahre in Freiheit gezählt, sie fiel also an den Anfang des Jahres Eins.» Mit Glück bekommt man dann sogar selbst eine Eins.
Zugegeben, die wichtigsten Epochen zu kennen und grobe zeitliche Einordnungen vornehmen zu können, schadet nicht, das bietet Orientierung. Zu der Meinung bin ich gekommen, nachdem ich jüngst bei ebay auf die Verkaufsanzeige für einen Tisch gestoßen bin, den jemand ernsthaft mit den Zeilen: «Esstisch von Ikea – wahrscheinlich Art déco» angeboten hatte. Nach dieser Tafel müsste jedes antike Möbel mindestens 1500 Jahre alt sein. Hier also ein kleiner Überblick:
800 v. Chr. bis 150 v. Chr.
Antike
Hochzeit der Griechen
500 v. Chr. bis 500 n. Chr.
immer noch Antike
Hochzeit der Italiener als Römer
500 n. Chr. bis 1500
Mittelalter
Auszeit für alle Europäer
1600 bis heute
Neuzeit
Europa bekämpft sich und wächst schließlich zusammen
1920 bis 1940
Art déco
1943
Ikea
Lassen wir aber nun genaue Jahreszahlen lieber Zahlen sein und suchen das Dahinter. Wer hat eigentlich wann Europa seinen Stempel aufgedrückt und mit welchen – positiven! – Folgen, von denen wir heute noch profitieren? In diesem Buch geht es genau darum, um dieses stetige Auf und Ab, die Erkenntnis, dass jedes Land vom hohen Ross in den Matsch fallen kann, aber auch jedes Land, das im Matsch liegt, die Chance hat, wieder in den Sattel zu steigen, wenn es nicht aufgibt.
Gerade die Akzeptanz des Letzteren fällt uns Deutschen schwer. Eine Einstellung, die mit «Yes we can!» beginnt und nicht mit «O Gott, o Gott!», sucht man bei uns oft vergebens. Bei uns überwiegt das Gefühl, dass in Sachen Europa Hopfen und Malz verloren sind.
Wieso fällt es uns nur so schwer, optimistisch zu sein? In dieser Hinsicht könnten und sollten wir uns ruhig eine Scheibe von den Amerikanern abschneiden. Wir erinnern uns: Kurz nach unserem gescheiterten Versuch, die Macht in Europa und auf der ganzen Welt zu übernehmen, lagen wir 1945 im Matsch. Und was sagten die Amerikaner, die wir noch kurz zuvor beschossen hatten und die um unsere Gräueltaten wussten? «Okay, ihr habt’s verbockt. Aber hier ist eure zweite Chance!»
Als die Heldentaten des Oberst Stauffenberg, der mit einer Gruppe Gleichgesinnter vergeblich versucht hatte, Hitler umzubringen, in die Kinos kam, spielte Tom Cruise die Hauptrolle. Das passt gut, er kennt sich schließlich mit totalitären Systemen aus. Ich habe den Film zufällig mit meiner amerikanischen Bekannten Cathy in New York gesehen, die mir einen Beweis des unerschütterlichen Optimismus der Amerikaner lieferte. Wir betraten den Kinosaal mit Popcorneimern, um das Stauffenberg-Drama zu sehen, und sie raunte mir zu: «… aber nicht verraten, wie’s ausgeht!»
Bis jetzt ist die europäische Geschichte noch immer gut ausgegangen, auch in meiner Familie. Mein Opa musste noch auf Franzosen schießen, ich bin mit einer Französin verheiratet – wenn das kein Happy End ist!
Aber im echten Leben gibt es kein letztes Kapitel, wir müssen immer an das nächste denken, in dem unsere Kinder die Hauptrollen spielen sollen. Ich hoffe sehr, dass es von einem Europa handeln wird, das noch mehr zusammengewachsen ist.
ab 16 000 v. Chr. bis 100 n. Chr.
Die Germanen warten auf ihren ersten Auftritt
Nur Grunzen im Eichenwald
Sie leben in stumpfer Trägheit dahin.
Tacitus, römischer Senator über die Germanen
Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte sah es so aus, dass der Fortschritt in Europa grundsätzlich vom warmen Mittelmeer ausging und aus den deutschen Eichenwäldern nicht mehr zu hören war als gelebtes Banausentum.
In Frankreich, Spanien und Italien fand man zahlreiche Höhlenmalereien als Beweise von frühzeitlicher Hochkultur – und in Deutschland? Keine einzige. War es hier vielleicht zu kalt für Kunst? Nein, selbst die Russen haben es am Ural fertiggebracht, Farben zu mischen
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