Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
und Höhlenwände zu bemalen, und dort ist es bekanntlich noch kälter als in unseren Gefilden. Sechzehntausend Jahre sind die dortigen Zeichnungen alt. Was haben
wir
eigentlich zu dieser Zeit gemacht?
Zufällig sind vor kurzem in Bonn Skelette gefunden worden, die genauso alt sein sollen wie viele Höhlenzeichnungen unserer europäischen Nachbarn. In der Grabstelle im Bonner Stadtteil Oberkassel fanden sich die Überreste eines Mannes, einer Frau und – besonders bezeichnend – zwischen beiden: die eines Hundes. Nur die Hundeleine war nicht mehr erhalten. Während also unsere europäischen Nachbarn Kunst für die Ewigkeit schufen, waren wir mit dem Hund Gassi. Vor geschätzten vierzehntausend Jahren hörte man in unseren Wäldern also schon Sätze wie: «Rufen Sie sofort Ihren Hund zurück!» – «Keine Angst, der will nicht spielen, der hat nur Hunger.»
Gut, es könnte theoretisch sein, dass es auch in Deutschland tolle Höhlenzeichnungen gegeben hat, die lediglich von einer germanischen Hausfrau gewissenhaft weggeputzt worden sind.
Hoffnung für unser Ansehen bestand zunächst, als man 2011 schließlich doch noch Höhlenmalereien in Deutschland fand, im Landkreis Bamberg, zwölftausend Jahre alt. «Endlich!», jubelten deutsche Prähistoriker und machten schon mal Platz in den Museen für Exponate, die Zeugnis darüber ablegen sollten, dass auch unsere Vorfahren schon früh was draufhatten.
Aber im Gegensatz zu den wunderschönen Abbildungen von Pferden in Altamira (Spanien), den Löwenköpfen in der Grotte Chauvet (Frankreich) oder den besonders anmutigen Handabdrücken in der Höhle von El Castillo (wiederum Spanien), die uns so fröhlich zuwinken (siehe auch Tafelteil in der Mitte des Buches), waren die Wandmalereien unserer Ahnen so peinlich, dass man sie nicht ausstellen wollte. An den Wänden des rund fünf Meter langen Raumes fanden sich fast ausschließlich Abbildungen von Brüsten und erigierten Penissen. Heute würde man sagen: Schmierereien. Auf jeden Fall nichts, mit dem man in einem archäologischen Museum Schulklassen für Frühgeschichte begeistern möchte – wenn man es denn vielleicht auch könnte.
Die «Hoden- und Tittenhalle» bei Bamberg
In Bayern gibt es einen Hohlraumbeauftragten. Er ist aber nicht, wie man erwarten könnte, für ausgebrannte und ideenlose Politiker zuständig, sondern für neu entdeckte Hohlräume, sprich Höhlen. Dieser Hohlraumbeauftragte zeigte einem Reporter den betreffenden Hohlraum und schwärmte von einem «Raum der Magie», in dem möglicherweise «Initiationsrituale», ja, «Fruchtbarkeitsfeste» stattgefunden hätten.
Aber wenn man der Zeitung «Die Zeit» glauben schenken darf, nennt man die Fundstelle in Höhlenforscherkreisen angeblich ganz unwissenschaftlich «Hoden- und Tittenhalle». Wer weiß, vielleicht gab es bei Bamberg bereits vor zwölftausend Jahren den ersten deutschen Swingerclub?
Dass in den 1950 er Jahren arme Gastarbeiter aus Südeuropa ins reiche, entwickelte Deutschland kommen, um in unseren Industrieanlagen zu arbeiten, klingt angesichts dessen geradezu abstrus.
Aber in diesem Kapitel geht es zunächst nur um den ersten Auftritt der Deutschen im europäischen Theaterstück, dabei ist «Auftritt» eigentlich ein Euphemismus. Streng genommen haben die Deutschen, die zum damaligen Zeitpunkt noch Germanen hießen, beim Vorsprechen für das Stück mangels Fähigkeiten keine Rolle bekommen, sind also beim Casting rausgeflogen – und haben dann: nichts gemacht. Einfach rumgegammelt.
Von den Griechen wurden sie Barbaren genannt; für sie definierte das Menschen, die keine griechisch-römische Bildung genossen hatten. Wir haben als Prekariat angefangen. Statt in einem Staat lebte man in Sippen und Stämmen. Man empfand sich auch noch nicht als Germanen, es gab nichts Gemeinsames, nur den eigenen Stamm, der Stress mit dem anderen Stamm auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses hatte. Dieser Tage nennt man das Föderalismus.
Bis heute haben sich einige Germanenstämme erhalten, sie hießen schon damals Bajuwaren, Sachsen und Westfalen und bilden nun mal allein, mal mit anderen Stämmen, was schon problematisch genug ist, Bundesländer. Die Deutschen haben vor der Entwicklung einer eigenen nationalen Identität angefangen wie die arabische Welt heute, wo erst der äußere Feind die zerstrittenen Stämme eint und sich neue, größere Identitäten bilden.
Diese gewagte, aber durchaus plausible These stammt von Dietrich Schwanitz. Er
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