Von wegen Liebe (German Edition)
gesehen hatten. Sie kam gerade Hand in Hand mit einem süßen Typen, den ich nicht kannte, in den Club geschlendert, und obwohl ich so weit wegsaß, konnte ich das strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht erkennen. Sie sah wunderschön aus, und ich wusste, dass genau in diesem Moment eine ihrer arroganten blonden Freundinnen dazu verdonnert sein würde, in ihrer Abwesenheit die Rolle der DUFF zu übernehmen. Schließlich verschwanden sie und ihr hübscher Begleiter wieder aus meinem Blickfeld und ich blieb mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen zurück.
Ich hatte mich bis jetzt noch nicht informiert, was für eine Band heute Abend spielen würde, aber in Anbetracht der ungewöhnlich hohen Anzahl schwarz gefärbter, asymmetrisch gescheitelter Haare und Lippenpiercings um mich herum wurde mir plötzlich klar, dass es eine Emo-Band sein musste.
Mein Lächeln erstarb.
Super. Heulbojen mit Gitarren. Genau mein Ding.
Ich beobachtete gedankenversunken die in den Club strömenden Leute, als auf einmal er in der Menge auftauchte. Er war mit Harrison Carlyle da und unterhielt sich angeregt mit ihm, während sie sich einen Weg zur Theke bahnten. Es war nicht schwer, ihn im Blick zu behalten. Er überragte alle anderen um mehrere Zentimeter, verströmte mehr Selbstbewusstsein und bewegte sich geschmeidiger als irgendjemand sonst um ihn herum. Meine Augen klebten an ihm, ohne dass mein Verstand irgendetwas dagegen hätte tun können.
Kurz vor der Bar wandte Wesley den Kopf und blickte genau in meine Richtung. Scheiße. Ich schaute hastig weg und betete, dass er mich nicht gesehen hatte.
»Oh Mann«, murmelte ich und ballte unter dem Tisch die Hand zur Faust. »Muss er immer überall auftauchen?«
»Wer muss immer überall auftauchen?«, fragte Toby, setzte sich mir gegenüber und stellte mein Glas vor mir ab.
»Niemand.« Ich nahm einen Schluck von der Cola Light und musste mich beherrschen, nicht das Gesicht zu verziehen. Der Zuckerersatz hinterließ einen widerlichen Geschmack auf der Zunge. Ich schluckte und fragte: »Wie heißt noch mal die Band, die gleich spielt?«
»Black Tears«, antwortete er.
Jep. Das klang definitiv nach irgendeinem Emo-Scheiß.
»Cool.«
»Ich hab sie noch nie gehört«, gestand Toby und fuhr sich durch seinen blonden Topfschnitt. »Aber sie sollen echt gut sein. Außerdem sind sie so ungefähr die einzige Band in Hamilton. Alle anderen, die hier auftreten, scheinen immer aus Oak Hill zu kommen.«
»Aha.«
Ich rutschte unbehaglich auf meinem Platz hin und her. Mein Gebet von vorhin, Wesley möge mich nicht gesehen haben, war natürlich nicht erhört worden, und ich war mir mit jeder Faser meines Körpers bewusst, dass er mich beobachtete. Die Art, wie er mich mit Blicken schier auffraß, machte mich beinahe wahnsinnig, und ich konnte nur hoffen, dass Toby mein nervöses Gezappel nicht auffiel. Nicht dass er noch dachte, ich wäre auf Crack oder so was.
»Ich habe Sturmhöhe zu Ende gelesen«, sagte ich in dem verzweifelten Versuch, ein Gespräch zu beginnen, das meine Gedanken von Wesley ablenkte. Ich brauchte einen Moment, bis mir aufging, dass ausgerechnet dieses Thema als allerletztes dafür geeignet war.
»Und? Hat es dir gefallen?«, fragte Toby.
»Zumindest hat es mir eine Menge Stoff zum Nachdenken geliefert.« Ich hätte mich selbst ohrfeigen können. War es nicht vor allem dieses Buch gewesen, das mich so aus der Spur gebracht hatte? Warum musste ich jetzt davon anfangen? Aber es war zu spät, die Unterhaltung wieder auf ungefährlicheres Terrain zu lenken, denn Toby setzte gerade voller Elan zu einer Buchkritik an.
»Ich weiß genau, was du meinst. Ich habe mich schon immer gefragt, was Emily Brontë dazu gebracht hat, eine Geschichte über derart unsympathische Charaktere zu schreiben. Ich meine, während ich das Buch gelesen habe, hab ich die ganze Zeit bloß gedacht, was für Mistkerle Heathcliff und Linton sind und warum Cathy …«
Ich stocherte mit dem Strohhalm in meiner Cola herum und hörte nur mit halbem Ohr zu. Jedes Mal, wenn Toby »Heathcliff« sagte, wanderte mein Blick unwillkürlich über seine Schulter hinweg zu Wesley. In der verwaschenen Jeans und der coolen schwarzen Caban-Jacke über einem weißen T-Shirt sah er wie immer zum Niederknien aus. Er saß mit dem Rücken zur Bar, die Ellbogen lässig auf die Theke abgestützt. Allein. Kein einziges Mädchen hing an seinem Hals. Sogar Harrison war verschwunden. Der Einzige in seiner unmittelbaren Nähe
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