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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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lose Beziehungen getreten.
Bruno Bauer
sah ich, zwanzig Jahre später, als er das Wagenersche Konversationslexikon schrieb, allwöchentlich einmal auf der Kreuzzeitungs-Druckerei, wenn er in seinen Schmierstiefeln, mit Knotenstock und Schirmmütze, von Rixdorf nach Berlin hereinkam. In einem späteren Kapitel erzähl' ich davon. Seine Bedeutung steht fest; mein Geschmack aber war er offen gestanden
nicht.
Mit seinem Bruder
Edgar
war ich in den fünfziger Jahren in England oft zusammen. Er stand wohl, in der Hauptsache, dem älteren Bruder um ein erhebliches nach, war ihm aber an Witz und glücklichen Einfällen überlegen. Nur
ein
Beispiel stehe hier für viele. Gleich nach dem Regierungsantritt König Wilhelms war auch Edgar Bauer, wie so viele Flüchtlinge, von London nach Berlin zurückgekehrt, sah sich aber hier alsbald in Preßprozesse verwickelt und wurde durch den Landgerichtsrat
Pielchen
verurteilt. Er verkündete dies seinen Lesern in einem Leitartikel, der, wie folgt, anhob: »Wie den Individuen, so werden auch den Völkern alle Gnadengeschenke nach einer besonderen Skala zugemessen – England hatte vordem seinen Peel, Preußen hat jetzt sein Pielchen.« Über meine Begegnung mit
Saint Paul
habe ich in meinem Scherenberg-Buche ziemlich ausführlich berichtet, und Leutnant
Techow
lernte ich im Herbst achtundvierzig kennen, als er als Festungsgefangener oder vielleicht auch erst in Untersuchungshaft in den Kasematten von Spandau saß. Der Tag ist mir unvergeßlich. Ein Verwandter von mir, ein in der Pépinière lebender Bataillonsarzt, forderte mich zu dieser Techow-Expedition auf, deren eigentlicher Unternehmer Du Bois-Reymond war. Dieser hat sich auch späterhin, als er längst eine Weltberühmtheit geworden, in einer schönen und mich erschütternden Weise als Freund Techows bekannt und seinen Fürsprecher gemacht. Leider ohne Erfolg. Ich sage »leider«, aber nur aus menschlicher Mitempfindung heraus, während ich im übrigen der kriegsministeriellen Entscheidung, die Techow für immer vom vaterländischen Boden ausschloß, zustimme. Es gibt eben Dinge, Gott sei Dank nicht oft, bei denen nicht gespaßt werden darf und wo der ausnahmsweise
wirkliche
Ernst der Sache – das meiste ist bloß Larifari – das Gemütlichsein verbietet ... Wir trafen also nachmittag bei Techow ein. Die Kasematte, drin er saß, glich einem in einen Eisenbahndamm eingeschnittenen Kellerraum, hatte aber nichts sonderlich Bedrückliches. Techow war lebhaft, quick, elastisch. Was gesprochen wurde, weiß ich nicht mehr, trotzdem ich sonst immer bei unalltäglichen Gelegenheiten gut aufzupassen verstand. Über Techows weitres Leben zu berichten, über seine Flucht, seinen Aufenthalt erst in London und dann in Melbourne – wo er Droschkenkutscher war – und endlich über seine Rückkehr an die Heimatstür, um an dieser abgewiesen zu werden – dazu ist hier nicht der Ort. Ich erzähle deshalb lieber ein paar Einzelnheiten aus dem Leben, das die »Sieben Weisen des Hippelschen Kellers« damals führten, gleich hinzusetzend: relata refero.
    Einige Mitglieder des Kreises verheirateten sich. Der erste, der es wagte, war der seitdem so berühmt gewordene Stirner. Seine Frau hatte etwas Geld, das, der Weisheit der »Sieben Weisen« entsprechend, sofort in einem großen Gesamtunternehmen angelegt werden sollte. Man beschloß, eine »Milchwirtschaft« einzurichten, und zwar nach demselben Prinzip, das viele Jahre später von dem praktisch klugen Bolle zu seinem und der ganzen Stadt Segen glorreich durchgeführt wurde. Die »Sieben« unternahmen Reisen auf die umliegenden Dörfer – ich hätte dabeisein mögen, wenn zum Beispiel St. Paul mit einer jungen Melkerin im Kuhstall verhandelte – und schlossen mit zahllosen Pächtern und Bauerngutsbesitzern Kontrakte über Milchzufuhr ab. Von einem bestimmten Tage an hatte jeder soundso viele Quart zu liefern. Das Bureau und die Kellerräume, alles ganz großartig, befanden sich in der Bernburger Straße. Die Milch kam denn auch, aber die Käufer blieben aus, und nachdem schließlich mehrere Tage lang ein gewisser saurer Milchton die ganze Bernburger-Straßen-Luft durchzogen hatte, sah man sich genötigt, eines Nachts den ganzen Vorrat in die damals noch in Blüte stehenden Berliner Rinnen ablaufen zu lassen.
    Das Vermögen der Frau Stirner war hin.
    Aber die »Sieben« waren nicht die Leute, sich solche Bagatellen zu Gemüte zu nehmen. Ihre gute Laune blieb dieselbe, vor allem ihr Übermut, der

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