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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ungewöhnliche Fülle von Geist und Talent auf eine solche Hochstufe gehoben, daß, für mich wenigstens, die Frage »Phrase oder nicht« daneben verschwindet. »Noch einen Fluch schlepp' ich herbei« – diese das berühmte Gedicht »Gegen Rom« einleitende Zeile mahnt mich immer an
den,
der übereifrig Scheite zum Hus-Scheiterhaufen herbeitrug, aber es sind doch Strophen drin, die ich bis diesen Tag mit dem größten Vergnügen, jedenfalls mit einer gewissen Metierbewunderung lese. Dasselbe gilt von den Terzinen an Friedrich Wilhelm IV.:
     
    Zu scheu, der neuen Zeit ins Aug' zu sehn,
    Zu beifallslüstern, um sie zu verachten,
    Zu hochgeboren, um sie zu verstehn.
     
    Wie tief gefaßt ist hier alles, wie vollendet im Ausdruck.
     
    4 Nach meiner Erfahrung und meinem Geschmack kann man nicht leicht etwas Reizenderes sehen als die Freiwilligen unserer Garderegimenter, fast ohne Ausnahme. Sie beweisen mehr als irgendwas die Überlegenheit unserer Armee. Ausgezeichnete Offiziere gibt es überall, und selbst in mittelwertigen Staaten ist es in den Willen und die Macht eines soldatenliebenden Fürsten gelegt, ein ausgezeichnetes Offizierkorps heranzubilden. Aber dreihundert – oder mehr – solcher jungen Leute, wie sie jahraus jahrein als Freiwillige in der preußischen Garde dienen, kann der Betreffende nicht aufbringen, und wenn er sein ganzes Land umstülpt. Woran das liegt, ist leicht zu beweisen, aber hier ist nicht der Platz dazu.
     
    5 Der den verschiedenen Personen zugeteilte Raum ist also sehr verschieden bemessen; aber ob kurz oder lang, überall bin ich darauf aus gewesen,
mehr das Menschliche als das Literarische zu betonen.
Daher die vielen kleinen Anekdoten und Geschichten, die sich allerorten eingestreut finden. Ich mag darin an mehr als einer Stelle zu weit gegangen sein; aber auch wenn dies der Fall sein sollte, scheint mir ein solches Zuviel immer noch ein Vorzug gegen die bloße Kunstbetrachtung. Wer diese haben will, leistet sich dies am besten selbst, wenn er an die ja jedem zugänglichen Werke mit eigenem Auge und Urteil herantritt. Also, so sagte ich, ich habe das
Menschliche
betont, was andeuten soll, ich bin an
Schwächen,
Sonderbarkeiten und selbst Ridikülismen nicht vorbeigegangen. All dergleichen gehört nun einmal mit dazu. »Das protestantische Volk« – so schrieb ich an anderer Stelle – »verlangt eben keine Heiligen und Idealgestalten, eher das Gegenteil; es verlangt Menschen, und alle seine Lieblingsfiguren: Friedrich Wilhelm I., der große König, Seydlitz, Blücher, York, Wrangel, Prinz Friedrich Karl, Bismarck sind nach einer bestimmten Seite hin, und oft nach mehr als
einer
Seite hin, sehr angreifbar gewesen. Der Hinweis auf ihre schwachen Punkte hat aber noch keinem von ihnen geschadet. Gestalten wie Moltke bilden ganz und gar die Ausnahme, weshalb auch die Moltke-Begeisterung vorwiegend eine Moltke-Bewunderung ist und mehr aus dem Kopf als aus dem Herzen stammt.«
     
    6 Außer
Friedrich
Eggers hatten wir noch seinen jüngeren Bruder
Karl
Eggers, Senator der Stadt Rostock, im Tunnel, welcher jüngerer Bruder ad latus des älteren war. Verschiedenes, darunter die »Tremsen« – plattdeutsche Gedichte –, haben sie gemeinschaftlich herausgegeben. Der ältere Bruder hatte mehr Elan und hat dadurch, namentlich als Lehrer, eindringlicher gewirkt, an poetischem Talent aber, und zwar besonders auf humoristischem Gebiete, war, glaub' ich, der jüngere Bruder dem älteren überlegen.
     
    7 Seitens der Familie des Obertribunalsrats ist diese Verwandtschaft in einem an mich gerichteten Briefe bestritten worden, was mich bestimmt hat, in dieser an und für sich gleichgültigen Sache, lediglich um eines gewissen
gesellschaftlichen und kulturhistorischen Interesses
willen, zu recherchieren. Nach diesen Recherchen bleibt es so, wie vorstehend im Text erzählt; mindestens steht
Meinung gegen Meinung.
Wenn ich eine davon, und zwar mit voller Überzeugung bevorzugt habe, so zwingen mich dazu die sich im Leben in ähnlicher Lage beständig wiederholenden Beobachtungen bzw. Empfindlichkeiten. Ein Beispiel nur. In meinem Romane »Effi Briest« spreche ich in einer halben Briefzeile von einem Tapezier
Madelung,
der, in Abwesenheit Effis, das Zimmer der jungen Frau neu tapeziert habe. Bald nach Erscheinen des Romans erhielt ich von einem in der Provinz lebenden Madelung eine Zuschrift, in der er mir mitteilte, »daß seines Wissens niemals ein Madelung Tapezier gewesen sei«. Schade. Tapezier

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