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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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im ›Figaro‹ verschiedenes von mir gelesen, mich aufforderte, doch einem literarischen Verein, dem er angehöre, beizutreten. Dies war der
Platen
-Klub. Ich sagte mit tausend Freuden »ja« und wohnte schon der nächsten Sitzung bei. Viele frohe Stunden – mehr als in dem Lenau-Klub, mit dem der Zusammenhang, trotz intimer Beziehungen zu einzelnen, ein loser blieb – habe ich in diesem Verein verbracht.
    Maler Flans war eine ziemlich fragwürdige Gestalt, und das vielzitierte Wort: »Was gemacht werden kann, wird gemacht« war wie für ihn erfunden. Als Maler kaum mittelmäßig, war er im übrigen, und zwar immer mit einem Anfluge von Komik, nur noch bemerkenswert als Don Juan kleineren Stils, als Festarrangeur, Jeubruder und Sonntagsreiter und brachte es zuwege, daß er am Ende seiner Tage nicht als Flans, sondern unter seinem
mütterlichen
Namen irgendwo nobilitiert wurde. Zum Glück ist er kinderlos verstorben.
    Es braucht nicht gesagt zu werden, daß ein Mann wie Flans, der außerdem um ein gut Teil älter war als der Rest unsrer »Plateniden«, den ganzen Klub in der Tasche hatte. Keiner traute ihm, aber jeder gehorchte, wobei der Verein übrigens nicht schlecht fuhr, denn seine Gewandtheit war groß. Dazu bon garçon, immer auf bestem Fuß mit den Kameraden, die den verschiedensten Berufen angehörten. Die meisten waren Studenten, unter denen wieder die Theologen überwogen. Einer, der schon Doktor war, hielt es mit der Philosophie. Dies war Werner Hahn, der sich später in dem entzückenden Sakrow, wohin er sich zurückgezogen, mit Mühe und Fleiß zu einem vielgelesenen Schriftsteller heraufarbeitete. Man hat von ihm eine Bearbeitung der Edda, desgleichen eine in vielen Auflagen erschienene »Geschichte der poetischen Literatur der Deutschen«. Sein Bestes aber sind doch wohl seine volkstümlichen Darstellungen preußischer Geschichtsstoffe: Königin Luise, der Alte Zieten, König Friedrich I., Kunersdorf etc. Er hatte, ganz wie Heinrich Beta, von dem ich im vorigen Kapitel gesprochen, ein bewährtes Rezept, nach dem er verfuhr. Übersichtliche Stoffeinteilung war seine Spezialität und zugleich sein Hauptvorzug. Er vermied auch die Phrase, was bei patriotischen Stoffen immer schwer, aber deshalb auch wichtig ist.
    Ich wurde seitens der Vereinsmitglieder sehr freundlich aufgenommen und behauptete mich ein gutes Vierteljahr lang unter ihnen, vielleicht, weil ich wohlassortiert, will sagen mit einem Lager, dessen Bestände kein Ende nehmen wollten, in ihren Kreis eingetreten war. So kam es denn auch, daß ich eines Tages mit der Erklärung überrascht wurde, »jetzt sei die Zeit da, wo mir die höchsten Ehren, über die der Verein Verfügung habe, erwiesen werden müßten. Die nächste Sitzung sei zu diesem feierlichen Akte bestimmt.« Ich erhielt denn auch wirklich die vorgeschriebenen Auszeichnungen: Diplom und Orden. Flans hatte sich mit Ruhm bedeckt und das mit Arabesken und Initialen reich ausgestattete Diplom auch noch selbst geschrieben. Eine Stelle daraus ist mir noch gegenwärtig. In fast jedem meiner damaligen Gedichte schien der Mond unentwegt, und so hieß es denn gleich zu Anfang: »Unser Lieber und Getreuer, geboren zu Neuruppin bei
Mondschein
etc.« Hinsichtlich des Ordens aber wurde mir in feierlicher Ansprache geraten, ihn heimlich zu tragen, da sich der Verein, trotz seines weitreichenden Einflusses, außerstand sehe, den damit öffentlich Auftretenden vor Unannehmlichkeiten zu schützen. Dieser Orden war natürlich ein Kotillonorden, in dessen Mitte sich ein auf seinem Wagen stehender Apoll befand. Man war an dem Überreichungsabend sehr liebenswürdig gegen mich, ließ mich aber doch fühlen, daß ich meine Siege mehr meinem Massenaufgebot als dem Wert meiner Dichtungen zu verdanken hätte.
    Dies alles war leider absolut richtig und wurde mir einige Wochen später nicht mehr bloß andeutungsweise, sondern in aller Deutlichkeit gesagt, was bei der Gutgeartetheit der meisten unter uns vielleicht unterblieben wäre, wenn nicht inzwischen das Hauptmitglied des Vereins, das den Winter über in der Schweiz und in Frankreich gewesen war, sich im Monat April in Berlin wieder eingefunden hätte.
    Dies Hauptmitglied hieß
Egbert Hanisch.
Egbert Hanisch mochte damals zweiundzwanzig Jahr alt sein, eher mehr als weniger. Er war in einer kleinen märkischen Stadt, halben Wegs zwischen Trebbin und Jüterbog, geboren. Auf den ersten Blick eine ziemlich prosaische Gegend. Und doch ist es dieselbe, der

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