Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
höchstes Glück, und zeitweilig auch wohl sein einziges, war, daß seine Frau ihm eine von Anfang an entgegengebrachte schwärmerische Liebe durch alle Zeit hin treu bewahrte und – was vielleicht ebensoviel bedeutete – inmitten aller Trübsal unentwegt an bessere Tage glaubte.
    Die kamen denn auch. Aber das war vorläufig noch weit im Felde. Was zunächst kam, war einfach ein Martyrium. Alle Versuche, sich durchzuschlagen, scheiterten, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Stadtbehörden um irgendwelche Verwendung anzugehen. Auch das Kleinste sei gut genug. Und so wurde er denn einem Magistratsbureau zugewiesen, in dem er Steuerzettel zu schreiben hatte, deren im Laufe der Jahre viele Hunderttausende von seinem Schreibtisch aus in die Berliner Häuser wanderten. Als es ihm von dieser Schreiberei zuviel wurde, ward er statt Bureaugehülfe Stadtwachtmeister, eine Stellung, die seiner Art und seinem Wesen vielleicht noch weniger entsprach, aber an die Stelle der Stubenluft doch wenigstens eine frische Brise setzte. Das ging so wohl durch zwei Jahrzehnte, bis ganz zuletzt nicht sein dichterisches Talent – von dessen Heilswirkung seine liebenswürdige Frau beständig geträumt hatte –, sondern eine ganz triviale, trotzdem aber freilich sehr angenehme Erbschaft einen Wechsel der Dinge herbeiführte. Eine für seine Verhältnisse nicht unbedeutende Summe kam ins Haus, und sorglosere Tage brachen an. Zu Scherenberg, der sein Ideal blieb, stand er ununterbrochen in freundschaftlichen Beziehungen, rechnete sich's nach wie vor zur Ehre, sich ihm, seinem Meister, durch kleine literarische Dienste nützlich machen zu können, und übersandte, wenn Geburtstag war, Blumen und Verse. Die Produktion seiner späteren Jahre, darunter eine »Schlacht bei Sadowa«, verlor mehr und mehr an Natürlichkeit und Eigenart, und der Hippogryph, den er noch sattelte, war das Scherenberg-Pferd von Hohenfriedberg und Ligny. Seines Meisters Tod überlebte er nicht lange; bald nach ihm starb er selbst und wurde auf dem Parochialkirchhof vor dem Landsbergertor, wo wahrscheinlich ein Erbbegräbnis der Familie seiner Frau war, begraben.
    Seine Tunnel-Tage, wie schon hervorgehoben, waren seine sorgenvollsten, aber inmitten aller Sorge doch auch wohl seine schönsten. Er war seiner Natur nach in einer Idealwelt zu Hause, und was zu dieser paßte, fand er, wenn er unter uns erschien. Es ward ihm auch viel Anerkennung, im ganzen vielleicht zu viel, im einzelnen zu wenig. Er versuchte sich auf allen Gebieten, aber mit sehr ungleichem Erfolg. Als Lyriker war er Null, schwerfällig und unverständlich, und im Drama, worauf ihn seine Berater irrtümlich hin verwiesen, kam er über ein halbes Können nicht hinaus. In der Erzählung aber, wo sich's nicht um Geschultheit, sondern um Darstellung von allerhand Erlebnissen handelte, war er vortrefflich.
    Sein Debüt im Tunnel war die Vorlesung seines vaterländischen Schauspiels »Der Große Kurfürst bei Fehrbellin«. Kugler machte viel davon, in und außerhalb des Tunnels, und setzte beim Minister – Raumer – sogar eine Pension, und wenn nicht das, so doch wenigstens eine einmalige Unterstützung durch. Ja, dies vaterländische Schauspiel kam sogar auf einem recht guten Vorstadts- oder Volkstheater zur Aufführung, welches Ereignis dann als leuchtender Stern über des Dichters fernerem Leben stand. Denn nicht nur, daß er das große Publikum mit fortgerissen hatte, jener Abend mit seinem nicht wegzuleugnenden Siege gewann ihm auch die Herzen seiner Angehörigen wieder, die sich bis dahin, mit alleiniger Ausnahme seiner Frau, hart und unwirsch von dem »verdrehten Verseschmierer« abgewandt hatten. Unter diesen Angehörigen war auch ein älterer Bruder von ihm, der ihm bis dahin ganz besonders unliebsam begegnet war. An jenem Abend aber umarmte er den armen Dichter und bat ihn um Verzeihung, ihn durch Jahre hin verkannt und verletzt zu haben. Als er – Leo Goldammer – mir davon erzählte, strahlte er. Kuglers Eintreten für ihn, ganz besonders nach jener geglückten Aufführung, hatte zur Voraussetzung, daß Goldammer mit anderen patriotischen Stücken folgen würde. Das unterblieb aber, und ich muß hinzusetzen, ein Glück, daß es unterblieb. Ich glaube, Kugler stand damals noch auf dem Standpunkte, daß sich aus einem patriotischen Stoff
immer
was machen lasse, wenn nicht was Gutes, so doch was Mittelgutes, und unter allen Umständen ein Etwas, das, schon um des Stückchens

Weitere Kostenlose Bücher