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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Einzelnheiten des Büfets, alle reichlich gestellten Fragen bis ins Detail erschöpfend. Die Dame bewahrte gute Haltung. Aber Storm auch. Er pflanzte sich, dem Verkaufstisch gegenüber, an einem der Vorderfenster auf, in das zwei Stühle tief eingerückt waren. »Hier wird er Platz nehmen«, an diesem Anker hielt ich mich. Aber nein, er wies auch hier wieder das sich ihm darbietende Refugium ab, und den schmalen Weg, der zwischen Fenster und Büfet lief, absperrend, nahm er unser Gespräch über Mörike wieder auf, und je lebhafter es wurde, je mächtiger pendelte der Schal mit den zwei Puscheln hin und her. Ich war froh, als wir nach einer halben Stunde wieder heil heraus waren.
    Täuscht mich nicht alles, so kann dergleichen heutzutage kaum noch vorkommen. Und das ist ein wahres Glück. Es hing das alles – weshalb ich es hier mit allem Vorbedacht erzählt habe – doch mit einer kolossal hohen Selbsteinschätzung (nur nicht im Geldpunkt) zusammen und einer gleichzeitigen Unterschätzung des Alltagsmenschen, des Philisters, des Nichtdichters oder Nichtkünstlers. Einer der herrlichsten und gefeiertsten Poeten der romantischen Schule hat ein Gedicht geschrieben unter dem Titel: »Engel und Bengel«, und wenn man solchen Schal trug und dabei dichtete, so war man eben ein »Engel«, und wenn man bloß Gardekürassier war, nun so war man eben das andere. Das ist nun Gott sei Dank überwunden, und gerade wir Leute von Fach dürfen uns gratulieren, solchen Wandel der Zeiten noch erlebt zu haben. Denn jene sonderbare »Engelschaft« hat unser ganzes Metier – ich denke dabei nicht weiter an Storm, dem es, wenn es zum Eigentlichsten kam, an einer
wirklichen
Legitimation nicht fehlte – doch schließlich nur lächerlich gemacht.
    Im Sommer 64, kurz nach der Befreiung des Landes, kehrte Storm nach elfjähriger Abwesenheit in seine geliebte Heimat zurück. Er war nun wieder Landvogt in Husum. Aber im selben Augenblicke fast, wo seine Hand all das liebe Alte wieder in Besitz nahm, nahm eine wohlverständliche Schwermut von
ihm
Besitz. Er schrieb an einen Freund: »O, meine Muse, war das der Weg, den du mich führen wolltest! Die sommerlichen Heiden, deren heilige Einsamkeit ich sonst an Deiner Hand durchstreifte, bis durch den braunen Abendduft die Sterne schienen, sind sie denn alle, alle abgeblüht? Es ist ein melancholisches Lied, das Lied von der Heimkehr.« Wundervolle Worte, wie sie nur Storm schreiben konnte, voll jenes eigentümlichen Zaubers, den fast alles hat, das aus seiner Feder kam. In etwas spezifisch Poetischem steht er ganz einzig da.
    »Wen von euch soll ich nun dafür hingeben?« so frug er, als er sich bald danach an der alten Stelle wieder eingerichtet hatte. Er hatte nicht lange auf Antwort zu warten. Ein Jahr nach der Rückkehr starb Frau Constanze, jene schöne, frische, anmutige Frau, an die er, als er ihr 1852 von Berlin aus den beschlossenen Eintritt in den preußischen Dienst meldete, die Worte gerichtet hatte:
     
    So komm denn, was da kommen mag,
    Solang du lebest, ist es Tag,
     
    Und geht es in die Welt hinaus,
    Wo du mir bist, bin ich zu Haus,
     
    Ich seh dein liebes Angesicht,
    Ich sehe die Schatten der Zukunft nicht –
     
    Worte, wie sie kein Dichter je schöner geschrieben hat.
     
    Storm, einer jener vielen Hülflosen, die, wie der Liebe, so der Dienste einer Frau nicht wohl entbehren können, verheiratete sich wieder, und zwar mit Dorothea Jensen, einer durch Klugheit, Charakter und Ordnungssinn ausgezeichneten Dame. Wie seine erste Ehe sehr glücklich gewesen war, so war es seine zweite. Die erste Frau hatte ganz ihm gelebt, die zweite – es war die schönste Aufgabe, die sie sich stellen konnte – lebte dem Haus und den Kindern.
    1880 nahm er den Abschied aus seinem Amt und schuf sich ein neues Heim in dem zwischen Neumünster und Heide gelegenen Kirchdorfe Hademarschen. Während er hier im Sommer genannten Jahres den Hausbau überwachte, schrieb er an Erich Schmidt die für Storms Denk- und Gefühlsweise charackteristischen Zeilen: »Gestern in der einsamen Mittagsstunde ging ich nach meinem Grundstücke und konnte mich nicht enthalten, in meinem Bau herumzuklettern; auf langer Leiter nach oben, wo nur noch die etwas dünnen Verschalungsbretter lose zwischen den Balken liegen und wo die Luft frei durch die Fensterhöhlen zieht. Ich blieb lange in meiner Zukunftsstube und webte mir Zukunftsträume, indem ich in das sonnige, weithin unter mir ausgebreitete Land hinausschaute. Wie

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