Voodoo
ansehnlichen Teil des Geldes hatte sie für schlechte Zeiten auf drei Sparkonten deponiert. Außerdem besaßen sie Anteile an der L-Bar, einem gut laufenden Yuppie-Schuppen in der Innenstadt von Miami, der von Frank Nunez geführt wurde, einem ehemaligen Polizisten und Freund von Max. Das Haus und die beiden Autos gehörten ihnen, sie waren dreimal im Jahr in Urlaub gefahren und einmal im Monat schick essen gegangen.
Max brauchte nur wenig Geld für sich. Seine Kleider – für die Arbeit und besondere Gelegenheiten Anzüge, ansonsten Freizeithose und T-Shirt – waren immer geschmackvoll, aber selten teuer. Sein zweiter Fall war ihm da eine Lehre gewesen: Sein 500-Dollar-Anzug hatte Blutflecken abbekommen, und er hatte ihn der Kriminaltechnik übergeben müssen. Die wiederum hatte ihn an den Staatsanwalt weitergereicht, der ihn dann vor Gericht als Beweismittel D präsentierte.
Max schickte seiner Frau jede Woche Blumen, überschüttete sie zum Geburtstag, zu Weihnachten und zum Hochzeitstag mit Geschenken und war auch seinen besten Freunden und seinem Patenkind gegenüber großzügig. Süchte hatte er keine. Mit dem Rauchen und Kiffen hatte er aufgehört, als er den Polizeidienst an den Nagel gehängt hatte. Nur mit dem Alkohol hatte es etwas länger gedauert. Der einzige Luxus, den er sich gönnte, war Musik. Er besaß fünftausend CDs, Schallplatten und Singles – Jazz, Swing, Doowop, Rock’n’Roll, Soul, Funk und Disco –, und er kannte jede einzelne Note und jeden Text auswendig. Die größte Summe, die er für sein Hobby jemals ausgegeben hatte, waren die vierhundert Dollar gewesen, die er bei einer Auktion für ein handsigniertes Doppelalbum von Frank Sinatras In The Wee Small Hours Of The Morning hingeblättert hatte. Er hatte es gerahmt und in seinem Arbeitszimmer gegenüber dem Schreibtisch aufgehängt. Als seine Frau ihn darauf angesprochen hatte, hatte er ihr erzählt, er habe die Scheibe billig auf einem Flohmarkt in Orlando ergattert.
Alles in allem war es ein angenehmes Leben gewesen, das einen glücklich und fett und mit der Zeit immer konservativer machte.
Doch dann hatte er in der Bronx drei Menschen getötet, und sein ganzes Leben war aus der Spur gesprungen und laut und unelegant zum Stehen gekommen.
Sein Leben nach dem Knast: Das Haus in Miami und seinen Wagen hatte er noch, außerdem 9000 Dollar auf dem Sparbuch. Davon konnte er vier oder fünf Monate leben, dann würde er das Haus verkaufen und einen Job finden müssen. Kein leichtes Unterfangen. Wer würde ihm Arbeit geben? Ex-Bulle, Ex-Privatdetektiv, Ex-Knacki – dreimal minus, kein Plus. Er war sechsundvierzig: zu alt, um noch etwas Neues zu lernen, und zu jung, um aufzugeben. Was sollte er tun? In einer Kneipe arbeiten? Als Küchenhilfe? Einkaufstüten packen? Auf dem Bau? Als Kaufhausdetektiv im Einkaufszentrum?
Natürlich hatte er Freunde und auch ein paar Leute, die ihm etwas schuldeten, aber er hatte im Leben noch keinen Gefallen eingefordert und wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Er hatte den Leuten geholfen, weil er es damals gekonnt hatte, und nicht, damit sie sich später bei ihm revanchierten. Seine Frau hatte ihn als naiv und butterweich bezeichnet. Vielleicht hatte sie recht gehabt. Vielleicht hätte er seine eigenen Interessen über die der anderen stellen sollen. Sähe sein Leben dann jetzt anders aus? Wahrscheinlich ja.
Er konnte seine Zukunft ziemlich deutlich vor sich sehen. Er würde in einem Einzimmerapartment mit fleckiger Tapete und Horden sich bekriegender Kakerlaken hausen, an der Tür eine handschriftlich in schlechtem Spanisch verfasste Liste mit Regeln und Vorschriften. Er würde die Nachbarn rechts, links, oben und unten streiten, vögeln, palavern und sich prügeln hören. Er würde Lotto spielen und auf einem tragbaren Fernseher mit wackligem Bild zusehen, wie die falschen Zahlen gezogen wurden. Ein langsamer Tod, allmählicher Verfall, eine Körperzelle nach der anderen.
Er musste Carvers Job annehmen oder sein Glück in der Welt der Ex-Knackis versuchen. Eine andere Wahl hatte er nicht.
Zum ersten Mal hatte Max im Gefängnis mit Allain Carver gesprochen, am Telefon. Ein vielversprechender Start war das nicht gewesen. Carver hatte sich ihm vorgestellt, und Max hatte ihm angeraten, ihn gefälligst in Ruhe zu lassen.
In den letzten acht Monaten seiner Haftstrafe hatte Carver ihn praktisch jeden Tag genervt. Als Erstes war der Brief aus Miami gekommen:
» Sehr geehrter Mr . Mingus , mein
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