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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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was sein. Ein bißchen Blindekuh oder ein paar Kartenkunststücke, das ist ihr nicht genug... Und was für Menschen! Er, Ziebold, das muß wahr sein, ist ein kulanter Mann, und man merkt es ihm an, daß es ihm nicht an der Wiege gesungen worden ist. Aber diese Person, seine Frau! Immer in Seide und mit Korallenohrbommeln; ich mag nicht wissen, wem sie gehören. Sie muß doch Mitte Vierzig sein, und dabei ausgeschnitten wie die jüngste. Aber das weiß ich, ich gehe nicht wieder hin. Ich will mir nicht meinen Ruf verderben.«
     
    So dachten auch die andern. Befriedigt war nur Frau Hulen selbst.
     

Fünftes Kapitel
     
Soiree und Ball
    Um die vierte Stunde des andern Tages, die Sonne war eben unter, hielten die seit einer Woche kaum noch aus dem Geschirr gekommenen Hohen-Vietzer Ponies vor dem uns aus dem Beginn unserer Erzählung bekannten Hause in der Klosterstraße. Lewin hatte die Leinen genommen und wartete geduldig auf die Rückkehr des Kutschers, der abgestiegen war, um den altmodischen, mit vielen Riemen zugeschnallten Mantelsack in die Frau Hulensche Wohnung hinaufzutragen. Das Gefährt war nicht mehr der nur für eine Nachtfahrt geeignete Sack- und Planschlitten, sondern der leichte zweisitzige Kaleschwagen, mit dem Berndt seine hier- und dorthin gehenden Ausflüge zu machen pflegte. Es wurd unserm Freunde nicht schwer zu warten, denn der ganze nordwestliche Himmel glühte noch, und die kleine, fast unmittelbar zu seiner Linken gelegene, ringsumher von Efeu umwachsene Klosterkirche stand wie ein Schattenbild in dieser abendlichen Glut und nahm seine Aufmerksamkeit gefangen. Von allen Seiten kamen Krähen heran, setzten sich auf die Zacken des Giebelfeldes und berieten sich, wie sie zu tun pflegen, für die Nacht. In der Straße war nur wenig Leben; die Laternen wurden an ihren langen Drahtketten herabgelassen, langsam angezündet und langsam und knarrend wieder in die Höhe gezogen. Endlich kam Krist zurück, und während dieser, ohne wieder aufzusteigen, das Fuhrwerk nach dem »Grünen Baum« hinüberdirigierte, öffnete Lewin die schwere, mittelst eines innen angebrachten Steingewichts sich von selbst schließende Haustür und stieg die Treppen hinan.
    Auf der dritten und letzten schimmerte schon das Licht, mit dem Frau Hulen auf den Flur getreten war, teils um ihrem jungen Herrn Lewin ihren Respekt zu bezeigen, aber noch mehr, um die dicke Efeugirlande über der Tür sichtbar zu machen, die sie zu seinem Empfange geflochten.
    »Guten Abend, Frau Hulen.« Damit trat er erst in den Alkoven und von diesem aus in das große Vorderzimmer, das die Liebe und Sorgfalt der Alten in ähnlicher Weise festlich hergerichtet hatte. Auf dem runden Sofatische standen zwei kleine brennende Lichter, Kaffeegeschirr und ein Napfkuchen, während eine zweite Girlande, auch von Efeu, aber schmal und zierlich und aus einzelnen Blättern zusammengenäht, die damastne Kaffeeserviette einfaßte.
    »Aber das ist ja, als ob ein Bräutigam einzöge, Frau Hulen; wo kommt nur all der Efeu her?«
    »Kirchenefeu, junger Herr.«
    »Also von drüben?«
    »Ja, drüben von der Klosterkirche; ich hab ihn an dem linken Chorpfeiler gepflückt, wo Küster Susemihls Johanna mit dem kleinen Würmchen begraben liegt. All in eins, Mutter und Kind. Es sind nun drei Jahr. Können sich der junge Herr nicht mehr entsinnen?«
    »Nein. Was war es denn damit?«
    »Es soll ein Marschall gewesen sein; aber Herr Kaufmann Ziebold hat mich ausgelacht; es sei freilich ein Marschall gewesen, aber bloß ein französischer Logiermarschall, was sie bei uns einen Wachtmeister nennen. Na, lieber Gott, ich kann es nicht wissen, ich bin eine alte Frau, aber das weiß ich, Marschall oder nicht, daß er einen schweren Stand haben wird, denn es war ein gutes Kind, die Johanna, und sie hielt auf sich, und selbst die alte Zunzen, die von jedem was weiß, wußte ihr nichts nachzusagen. Es war noch ein Glück, daß das Kind gleich tot war. Einige sagen freilich, es wäre nicht tot gewesen, aber ich glaub es nicht, und man soll nicht sagen, was man nicht beweisen kann. Und nun langen Sie zu, junger Herr, und schenken sich ein, ehe der Kaffee kalt wird.«
    »Ja, Frau Hulen, das ist leichter gesagt als getan. Wo denken Sie hin? So bei Gräberefeu...«
    »Ach, junger Herr, da kenn ich Sie besser. Wenn die Dienstagsherren hier sind, der dicke Herr Hauptmann, der immer so spaßig ist, und der Herr von Jürgaß und der Herr Himmerlich, der solche dünne Stimme hat, und ich höre

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