Vor dem Urknall
während unvermittelt Spitzen hervorschießen. Germani fragte sich, was wohl geschähe, falls die Bran, die unser Universum formte, durch den Schlund einer dieser Öffnungen in eine Art Katapult-Universum hinuntergespült werden würde. Gleitet die Bran einfach nur bis zum Grund des Schlunds hinab, würde sie in Form eines Großen Kollapses zerschmettert, aber Germani stellte sich vor, die Bran würde sich wie ein Blatt Papier drehen, das von einem Strudel mitgerissen und abwärtsgezogen wird.
Eine sich drehende Bran in einem Calabi-Yau-Schlund würde abprallen, bevor sie das Ende des Schlunds erreichte, und wieder zurück auf die Öffnung zusteuern. Beim Herausschlüpfen würde sie expandieren und die Art von Universum darstellen, wie wir es heute beobachten. In diesem Bild wurde die Bran nicht beim Aufprall am Ende des Schlunds erzeugt, sondern war schon immer da gewesen. Das bedeutet, es war reichlich Zeit vor dem Beginn der Expansion. So konnten sich die unterschiedlichen Teile des Universums glätten, und deshalb ist auch keine Inflation nötig, um erklären zu können, warum weit voneinander entfernte Regionen des Universums sich so ähnlich sehen.
Bisher können wir uns auf noch keine Messung berufen, die zwischen Germanis wunderbar einfachem Katapult-Konzept und einem Urknallmodell plus Inflation unterscheiden kann. Beide Theorien stimmen mit den beobachteten Resultaten überein, abgesehen von den nicht vorhandenen Gravitationswellen, was bis jetzt der Katapult-Idee mehr Gewicht verleiht.
Wie bei vielen anderen Theorien über kosmologische Ungewissheiten gibt es Hoffnung, dass die nächste Teleskop-Generation zur Erkundung des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds wie der europäische Planck-Satellit ausreichend hochwertige Messungen machen wird, damit man zwischen beiden Theorien unterscheiden kann. Für das Katapult-Modell spricht, dass es tatsächlich die Singularität des Urknalls vermeidet, mit der keine einzige Theorie vernünftig umgehen kann. Sie kommt obendrein ohne die Inflation aus, kann aber bis jetzt noch keine plausible Erklärung für Anfang und Ende bieten.
Germanis Modell ist noch ziemlich roh und kann längst nicht alle Kräfte und Teilchen im Detail erklären, was mit anderen M-Theorie-Modellen und größerer Detailschärfe bereits gelungen ist. Allerdings eröffnet es die faszinierende Möglichkeit, dass unser Universum quasi eine Wildwasserfahrt entlang einer multidimensionalen Wasserhose gewesen ist.
Quantengravitation
Sollte das Universum tatsächlich so einen Zyklus von Expansion und Schrumpfung durchlaufen, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die ungleiche Verteilung im frühen Universum nach dem Urknall, die zur Bildung der Galaxien führte, Reste des Vorläufer-Universums waren. Ein Kontrahent der String- und M-Theorie beim Versuch, Relativität und Quantentheorie, die eigentlich inkompatibel sind, zu vereinen, wird Schleifenquantengravitation genannt. Sie stellt ein Modell dar, wie ein solches Universum, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem Modell der kollidierenden Branen hat, aber von einem radikal anderen Ansatz ausgeht, funktionieren könnte.
Die Schleifenquantengravitation hat überhaupt nichts mit String- und M-Theorie zu tun. Sie läuft auf eine Möglichkeit hinaus, die allgemeine Relativität mit einem Raum zu verbinden, der in Quanteneinheiten aufgeteilt ist. Im Großen und Ganzen funktioniert die Mathematik ganz gut, aber wie bei der Stringtheorie kommt auch hier ein gewisser Grad an Willkürlichkeit bei der Methode zum Vorschein, die Mathematik auf die Wirklichkeit anzuwenden. Dennoch glauben einige Physiker, dass die Schleifenquantengravitation eine größere Chance hat, die Gravitation mit den anderen Kräften zu vereinen, als jede andere existierende Theorie.
Aus der Perspektive der Schleifenquantengravitation ist das Gewebe der Raumzeit ein Durcheinander lokaler Verbindungen auf der Quantenebene. Es ähnelt ein wenig dem Blick auf ein Stück Materie durch ein äußerst leistungsstarkes Mikroskop. (Tatsächlich können wir im Rahmen der Schleifenquantengravitation den Begriff «Gewebe» fast wörtlich nehmen.) In unserer normalen, makrokosmischen Weltansicht lässt sich dieses Gewirr von Vernetzungen nicht erkennen. Wir sehen lediglich einen glatten Stoff.
Die Befürworter der Schleifenquantengravitation behaupten, sie könne aufgrund dieser elastischen kleinen Verbindungen voraussagen, dass ein schrumpfendes Universum eine Reihe sehr elastischer Verbindungen
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