Vor dem Urknall
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Dunkle Energie
Auch wenn die Dunkle Materie eine mysteriöse Angelegenheit sein sollte, so sind wir doch zumindest damit vertraut. Mit Materie haben wir im Alltag ständig zu tun. Die Erde besteht daraus, die Möbel in unserer Wohnung und unsere Körper. Da ist Energie schon ein viel undurchsichtigeres Konzept. Obwohl wir das Wort «Energie» ständig benutzen, bleibt die Vorstellung davon doch ziemlich verschwommen. Wir neigen dazu, Energie hinsichtlich der Aufgaben zu verstehen, die sie für uns erledigt, statt sie als separate, eigenständige Instanz zu betrachten. Und die Dunkle Energie ist sogar noch unzugänglicher.
Die Existenz Dunkler Energie oder zumindest einer Größe, die denselben Effekt wie Dunkle Energie haben könnte (bedenken Sie, dass dies alles ziemlich unüberprüfbares Zeug ist), wurde erstmals beim weiten Blick zurück in der Zeit postuliert, als man in die Tiefen des Universums schaute. Dem inflationären Urknallmodell zufolge dehnte sich das Universum nach der Inflationsperiode immer noch aus, allerdings mit einem viel gemächlicheren Tempo. Man hatte stets vermutet, es würde allmählich langsamer werden und an einem bestimmten Punkt zum Stillstand kommen, sodass sich der ganze Vorgang umkehrte und es der Gravitationsanziehung gelänge, die Galaxien wieder zusammenzuziehen.
Das ist eine sehr vernünftige Vermutung. Gravitationsanziehung bedeutet, dass letztlich der Schwung, der das Ganze ausgelöst hat, verpuffen und der Inhalt des Universums sich nun von außen nach innen bewegen wird. Daraus ergäbe sich schließlich ein «Big Crunch», ein Kollaps, ein umgekehrter Urknall, während alles im Universum aufeinander zu stürmt und in einer gewaltigen Kollision zusammenknallt.
In den 1990 er Jahren war die technische Ausrüstung gut genug, um das Tempo der Expansion vor vielen Milliarden Jahren mit der von heute zu vergleichen. Zu diesem Zeitpunkt standen den Astrophysikern bessere Standardkerzen zur Verfügung als in Hubbles Tagen, obwohl es noch immer Vorbehalte gegenüber Standardkerzen gibt. Statt veränderliche Sterne zu benutzen, setzte man auf einen bestimmten Supernovatyp, der sich bildet, wenn ein Weißer Zwerg einen Begleiterstern verzehrt und untragbar riesig wird. Weil es auf Größe und Typ des Sterns ankommt, ist die Helligkeit solcher Explosionen bemerkenswert einheitlich, sodass hier ideale Voraussetzungen vorliegen, um weit zurück in die kosmische Vergangenheit zu schauen.
Die Teams, die die Geschwindigkeit der Expansion studierten, sollten einen gewaltigen Schreck bekommen. Das Tempo der Expansion des Universums verlangsamte sich nicht, sondern es verschärfte sich. Irgendetwas stemmte sich gegen die Gravitation und schob aktiv die Galaxien auseinander. Dieses «Etwas» wurde Dunkle Energie getauft. Wir haben so etwas bereits auftauchen sehen, als Eddington sich auf eine «kosmische Abstoßungskraft» berief, die erforderlich war, damit das Universum alt genug sein konnte, um Sterne und Erde hervorzubringen.
Einsteins größte «Eselei»
Interessanterweise hatte auch Einstein bereits so etwas wie die Dunkle Energie vorausgesagt und dies dann seine «größte Eselei» genannt. Als die Theoretiker erstmals Einsteins allgemeine Relativität auf das Universum anwandten, stießen sie auf Lösungen, die ein Universum mit wechselnden Expansionsraten erlaubten. Dehnte es sich schnell genug aus, könnte es seine eigene Fluchtgeschwindigkeit überschreiten, sodass die Expansion niemals aufhören würde. Mit dem unendlichen Wachstum würde allmählich alles ausdünnen und das Universum dem «Big Freeze», dem entropischen Wärmetod, erliegen.
Sollte jedoch die Gravitation den Kampf gewinnen, würde sich das Tempo der Expansion im Lauf der Zeit verringern, schließlich zum Stillstand kommen, und der Vorgang kehrte sich um, so wie ein in die Luft geworfener Ball wieder auf dem Erdboden ankommt. Wie wir schon gesehen haben, stürzt in einem solchen Bild alles im Universum in sich selbst zusammen. Es ist die Umkehrung des Urknalls, den man Big Crunch, den Großen Kollaps, genannt hat.
Als mittlere Lösung galt die nicht endende Expansion des Universums ohne die endlose Ausdünnung des Universums. Diese überraschende Möglichkeit ergibt sich aus dem Wesen der unendlichen Reihen, die, wie wir bereits gesehen haben, eine unendliche Menge an Bestandteilen haben können und sich dennoch zu einem endlichen Wert addieren.
Stellen wir uns also vor, eine solche Reihe beschreibt die
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