Sieg der Leidenschaft
Prolog
Feuer
Herbst 1864, an der Küste West Floridas, bei Tampa Bay
An diesem Abend sah der Himmel seltsam aus. Der Sturm in der Dämmerung hatte rötliche Streifen im düsteren Grau hinterlassen und die Wolke, die den Mond verdeckte, schimmerte in einem unheimlichen feurigen Licht. Schaudernd blickte Tia McKenzie nach oben. Eine böse Ahnung stieg in ihr auf, denn die Farbe des Blutes, die das Land befleckte, schien die Nacht zu übergießen - sogar das Haus, das vor ihr aufragte.
Früher hatte Ellington Manor zu den schönsten Plantagenhäusern des Südens gezählt, mit einem schneeweißen Säulenvorbau. Elegante Damen in Seide und Samt waren die Verandatreppe hinaufgestiegen, hatten gelacht, getanzt, geflirtet und gehofft, dem richtigen Südstaatenjungen zu begegnen. Dann waren die Soldaten der Konföderation auf dem weiten Rasen ausgebildet worden, bald danach in den Krieg gezogen und zu Zehntausenden gefallen. Während Tia die zerbröckelte, von Ranken überwucherte Fassade des Hauses betrachtete, verspürte sie wieder den vertrauten Schmerz.
Als junges Mädchen war sie oft hierher gekommen, um fröhlich zu sein und zu tanzen und das Leben zu genießen. Jetzt sah sie bedrückt die Risse in den Mauern, die zerbrochenen Fensterscheiben. Der alte Captain Ellington war schon früh bei Manassa gefallen -der junge Captain, sein Erbe, bei Shiloh. Nicht einmal seine sterblichen Überreste hatte man heimgeschickt. Miss Liza Ellington liebte ihren Familienbesitz und hätte ihn niemals verkommen lassen. Aber sie steckte sich mit Masern an, während sie in einem Lazarett außerhalb von Richmond Kriegsverletzte pflegte, und starb. Wenigstens war sie unterhalb des Marmorengels auf dem Familienfriedhof begraben worden, der hinter dem Haus lag.
Jetzt schimmerte schwaches Licht durch einige Fenster. Colonel Raymond Weir von den Florida Regulars war angekommen, Tias Freund und Landsmann. Früher hatte er mit ihr auf den Stufen dieses Hauses geflirtet und nun empfand er noch tiefere Gefühle für sie. Eigentlich müsste sie Verständnis für seine Absichten aufbringen. Er wollte das Haus eines Unionssympathisanten niederbrennen.
Aber jener Mann war ihr Vater.
Aus den verfallenen Nebengebäuden im Süden des Haupthauses drangen die Geräusche von Männern und Pferden. Weirs Soldaten rüsteten sich für den Angriff, vor dem man Tia gewarnt hatte. Unter Weirs Kommando sollten fünf Kompanien, je fünf bis zwanzig Mann, nach Cimarron reiten, zum Heim ihres Vaters, und das Haus anzünden. Falls er am Leben blieb, würde man ihm einen Scheinprozess machen und ihn dann hinrichten. Während ihre Mutter ... Nun, angeblich wollte Weir das Schicksal der treuen Ehefrau des Verräters ignorieren - ein Konföderiertenoffizier, der das Kriegsrecht in seine eigenen Hände nahm.
Noch hatten die Soldaten McKenzies Tochter nicht entdeckt. Sie war allein hierher geritten, um die Ereignisse zu beobachten und erst einmal abzuwarten. Im letzten Moment würde sie Weir zurückhalten oder wenigstens Zeit gewinnen. Zweifellos würde Hilfe eintreffen, doch das konnte eine Weile dauern. Ebenso wie der Staat, war auch ihre Familie gespalten - ihr Vater ein Unionist, ihr Bruder Ian ein Yankee-Held, während sie selbst und ihr zweiter Bruder Julian für die Sache der Rebellen eintraten. Davon war sie früher fest überzeugt gewesen, als die Männer in Grau und Blau noch ehrenhaft gekämpft hatten.
Auf Tias dringende Nachricht hin würde ihr Rebellenbruder den ein Jahr älteren Ian verständigt haben. Noch an diesem Abend müsste eine Truppe auf Cimarron eintreffen. Bedauerlicherweise konnte sie einen anderen Yankee nicht um Hilfe bitten, denn er kämpfte gerade irgendwo im Norden. Nur weil Ians Frau jeden Augenblick ihr Baby zur Welt bringen würde, durfte Tia hoffen, er wäre nach Florida gekommen und hätte ihre Mitteilung erhalten.
Nun musste sie Zeit gewinnen, bis er hier eintraf. Aber wie, überlegte sie zum tausendsten Mal. Ich kann's schaffen, sagte sie sich. Ganz allein war sie aus dem Camp geritten. Innerhalb weniger Tage hatte sie fast hundert Meilen zurückgelegt. Welch eine Ironie -ihr Vater würde wütend sein, so wie die anderen Männer in ihrem Leben ...
O Gott, wie sollte sie Weir aufhalten?
Und plötzlich wusste sie die Antwort. Ganz einfach - sie war keine Rebellin mehr. Sie hatte genug für die >große Sache< getan und keine Gefahr gescheut, um Menschenleben zu retten ... Was sie plante, war falsch. Aber jetzt durfte sie sich
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