Vor dem Urknall
durch aktuelle – oder derzeit denkbare – Experimente bestätigt werden könnten. Ihre wenigen einwandfreien Vorhersagen sind bereits von anderen wohlbekannten Theorien gemacht worden.» Smolin zitiert obendrein den Nobelpreisträger und Teilchenphysiker Gerard t’Hooft, der gesagt hat, er würde die Stringtheorie nicht als eine Theorie bezeichnen, nicht einmal als ein Modell, sondern nur als ein Gefühl.
Und dann ist da noch der verstorbene Richard Feynman, der wohl größte amerikanische Wissenschaftler aller Zeiten, dem es ganz und gar nicht gefiel, wie die Stringtheorie (zu seiner Zeit unter dem Namen Superstringtheorie geläufig) willkürliche Entscheidungen traf, um die Realität an die Theorie anzupassen. «Mit anderen Worten», sagte Feynman,
gibt es in der Superstringtheorie nicht den geringsten Grund, warum nicht acht der zehn Dimensionen eingerollt werden und nur zwei übrig bleiben, was in vollkommenem Widerspruch zur Erfahrung stehen würde. Die Tatsache, dass das Ergebnis nicht mit der Erfahrung übereinstimmt, ist also nur von äußerst geringem Einfluss und führt zu keinerlei Konsequenzen; man muss vielmehr dauernd nach Entschuldigungen dafür suchen. Das scheint mir nicht in Ordnung zu sein.
Obwohl seitdem viel Arbeit in die Stringtheorie gesteckt wurde, sind Feynmans Sorgen noch immer berechtigt. Sollte es so aussehen, als mühte ich mich übermäßig mit diesem Thema ab, dann ist es sehr wichtig zu wissen, dass mehr Professoren und Doktoranden an der Stringtheorie arbeiten als an jedem anderen Ansatz, der sich mit den Grundlagen der Physik beschäftigt. Erheblich mehr. In diesem Sinn ist sie die anerkannteste Theorie schlechthin, auch wenn sie immer noch beachtliche Kontroversen auslöst. Wenn allerdings die Stringtheorie stimmen sollte, liefert sie uns eine starke Alternative zum konventionellen Bild des Urknalls und was davor war.
Es ist wenig hilfreich, dass die zum Umgang mit der String- und M-Theorie benötigte Mathematik so kompliziert ist, dass die meisten Wissenschaftler keinen Anhaltspunkt haben, ob sie überhaupt einen Sinn macht. Hier ist ein Kommentar des bekannten Physikers Paul Davies zum Thema:
M-Theoretiker sind von jeder Überprüfung ihrer Theorie an der Wirklichkeit weit entfernt. Wo und wie das enden wird, mag wissen, wer will. Vielleicht stolpern die M-Theoretiker irgendwann über den Stein der Weisen und können dann dem Rest der Welt (also uns) erklären, wie alles funktioniert. Es kann aber auch sein, dass sie sich immer mehr in ihr Never-Neverland zurückziehen.
Im Prinzip gibt es
tatsächlich
ein paar potenzielle Experimente, die die Stringtheorie unterstützen könnten. So sagt sie beispielsweise voraus, dass jedes uns bekannte Teilchen einen «Superpartner» hat, ein wesentlich massereicheres, aber sonst identisches Teilchen mit einer besonderen Beziehung zu dem uns bekannten Teilchen. Bisher ist aber noch keines dieser Teilchen beobachtet worden, wenngleich es möglich erscheint, dass der Große Hadronen-Speicherring am CERN sie erzeugen könnte. Die Stringtheorie gestattet den Teilchen verrückte und wunderbare Bruchteile von Ladungen, sagen wir,der Ladung eines Elektrons, was aber ebenfalls noch nicht per Beobachtung bestätigt werden konnte. Dennoch ist diese Art von Beweis ziemlich indirekt, und selbst wenn so etwas beobachtet worden sein sollte (was ja – das sollten Sie vor Augen haben – nicht zutrifft), würde es lediglich daran scheitern, die Stringtheorie zu widerlegen. Es ist nicht die Art von Beweis, nach dem man generell sucht, um zwischen Theorien zu entscheiden. Wie Lee Smolin nahelegt, gibt es andere Theorien, die durch einen solchen Beweis ebenso gut unterstützt werden könnten.
Ob die solide Mathematik der Stringtheorie sich jemals als brauchbar erweisen wird, sei dahingestellt, aber zweifellos versetzen uns die begrifflichen Beschreibungen des Universums, die String- und M-Theorie bieten, in die Lage, uns äußerst unterschiedliche Universen vorzustellen, die auf originelle Art und Weise entstehen.
Im Inneren des Schwarzen Lochs
Dank der Stringtheorie wird das bizarre Konzept denkbar, unser ganzes Universum könnte in einem Schwarzen Loch residieren. Wir haben Schwarze Löcher bereits mehrfach erwähnt, ohne genauer ausgeführt zu haben, was sie eigentlich sind. Es handelt sich um Sterne, denen kein Licht entweicht. Wir sollten uns einen Augenblick gönnen, um das abzuklären. Die meisten von uns haben wahrscheinlich eine
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