Vor Vampiren wird gewarnt
unerwartetes Auftauchen warf mich aus der Bahn. Ich hatte keine Ahnung, was jetzt kommen würde. Der Wind fuhr durch sein langes schwarzes Haar und ließ es flattern wie ebenholzfarbene Bänder. Seine karamellbraunen Augen waren gerötet. »Wie ist sie gestorben?«, fragte er.Ich setzte mich auf die oberste Verandastufe. »Das habe ich nicht gesehen«, sagte ich, über meine Knie gekauert. »Wir waren in diesem alten Gebäude, das Dr. Ludwig als Krankenhaus benutzte. Ich glaube, Claudine wollte verhindern, dass die feindlichen Elfen den Flur entlangkommen und das Zimmer stürmen, in das ich mich mit Bill, Eric und Tray verkrochen hatte.« Ich sah zu Claude hinüber, um mich zu vergewissern, ob er das Gebäude kannte, und er nickte. »Ich bin ziemlich sicher, dass Breandan sie getötet hat; eine ihrer Stricknadeln steckte in seiner Schulter, als er plötzlich in der demolierten Tür auftauchte.«
Breandan war der Feind meines Urgroßvaters und ebenfalls ein Elfenprinz gewesen. Er vertrat die Überzeugung, dass Menschen und Elfen keinen Umgang miteinander haben sollten. Und daran glaubte er geradezu fanatisch. Er wollte, dass die Elfen ihre Streifzüge in die Welt der Menschen völlig aufgaben, trotz ihrer großen finanziellen Investitionen in die irdische Geschäftswelt und all der Dinge, die sie dort produzierten... Dinge, mit deren Hilfe sie sich der modernen Welt anpassen konnten. Breandan verabscheute vor allem die gelegentlichen Liebesbeziehungen mit Menschen, ein Luxus, den sich die Elfen gönnten, und die Kinder aus diesen Liaisons hasste er ebenfalls. Er wollte, dass die Elfen abgeschottet lebten, in ihre eigene Welt eingesperrt, und nur mit ihresgleichen Umgang hatten.
Seltsamerweise hatte mein Urgroßvater beschlossen, genau das zu tun, nachdem die Elfen besiegt waren, die an diese Apartheidspolitik glaubten. Nach all dem Blutvergießen kam Niall zu dem Schluss, dass Frieden unter den Elfen und Sicherheit für die Menschen nur gewährleistet wären, wenn sich die Elfen in ihre Welt zurückzögen. So hatte Breandan im Tod doch noch sein Ziel erreicht. In meinen düstersten Momenten fand ich, dass Nialls Entscheidung den ganzen Elfenkrieg sinnlos gemacht hatte.
»Sie hat dich verteidigt«, sagte Claude und holte mich damit zurück in die Gegenwart. Es lag nichts in seiner Stimme. Keine Anschuldigung, keine Wut, nicht mal eine Frage.
»Ja.« Es war Teil ihrer Aufgabe gewesen, mich zu beschützen. Auf Nialls Befehl hin.
Ich nahm einen großen Schluck Kaffee. Claudes Becher ruhte unberührt auf der Lehne des Verandaschaukelstuhls. Vielleicht fragte Claude sich, ob er mich töten sollte. Claudine war seine letzte lebende Schwester gewesen.
»Du wusstest von der Schwangerschaft«, sagte er schließlich.
»Sie hat es mir erzählt, kurz bevor sie getötet wurde.« Ich stellte meinen Becher ab, schlang die Arme um meine Knie und wartete darauf, dass der Schlag auf mich niederging. Anfangs machte es mir nicht einmal etwas aus, was umso schrecklicher war.
»Ich weiß, dass Neave und Lochlan dich in ihrer Gewalt hatten«, sagte Claude. »Humpelst du deshalb?« Der Themenwechsel überraschte mich.
»Ja«, erwiderte ich. »Sie hatten mich einige Stunden in ihrer Gewalt. Niall und Bill Compton haben sie getötet. Nur damit du es weißt - es war Bill, der Breandan getötet hat, mit dem Eisenspaten meiner Großmutter.« Der Handspaten war eigentlich schon seit Generationen in meiner Familie, doch ich verband ihn immer mit meiner Großmutter.
Lange Zeit saß Claude, so wunderschön und rätselhaft wie eh und je, einfach nur da. Er sah mich nie direkt an und trank auch seinen Kaffee nicht. Dann schien er eine Entscheidung getroffen zu haben, denn er stand einfach auf und ging die Auffahrt in Richtung Hummingbird Road entlang davon. Ich weiß nicht, wo sein Auto parkte.
Mir schien es, als wäre er den ganzen Weg von Monroe zu Fuß gekommen oder auf einem Zauberteppich hergeflogen. Ich ging zurück ins Haus, sank gleich hinter der Tür auf die Knie und weinte. Meine Hände zitterten. Meine Handgelenke schmerzten.
Während wir uns unterhielten, hatte ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass er zu seinem Schlag ausholte.
Jetzt wurde mir klar, dass ich leben wollte.
MÄRZ
Zweite Woche
»Heb deinen Arm ganz hoch, Sookie!«, sagte JB. Vor lauter Konzentration hatte sich sein hübsches Gesicht in Falten gelegt. Mit einem Zweikilogewicht in der Hand hob ich langsam meinen linken Arm. Herrje, tat das weh. Und rechts war
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