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Vor Vampiren wird gewarnt

Vor Vampiren wird gewarnt

Titel: Vor Vampiren wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Mondlicht, das durch das Fenster hereinfiel, tauchte ihn in silbrig-dunkle Schatten. Meine kurze Erfahrung mit jenem mächtigen Vampir, der eine so große Machtfülle an sich gerissen hatte, sagte mir, dass Felipe de Castro beileibe kein Dummkopf war. »Ist ja nicht zu fassen. Warum hat Felipe Victor nicht getötet?«, fragte ich.
    »Darüber habe ich natürlich auch viel nachgedacht. Ich glaube, Felipe muss so tun, als würde er Victor glauben. Anscheinend erkennt Felipe selbst langsam, dass Victors Ehrgeiz sich seit seiner Ernennung zum Repräsentanten des gesamten Bundesstaates Louisiana bis zur Unanständigkeit gesteigert hat.«
    Ich stellte fest, dass ich Eric ganz emotionslos betrachten konnte, während ich über das nachdachte, was er gesagt hatte. Mit meiner Vertrauensseligkeit hatte ich mir in der Vergangenheit schon oft die Finger verbrannt, und diesmal würde ich mich dem Feuer nicht ohne sorgfältiges Abwägen nähern. Es war das eine, mit Eric zu lachen oder sich auf die Nächte zu freuen, in denen wir uns gemeinsam in der Dunkelheit wälzten. Doch etwas ganz anderes war es, ihm weitaus verletzlichere Gefühle zu offenbaren. Mit Vertrauen hatte ich es gerade wirklich nicht so.
    »Du warst ziemlich mitgenommen, als du zum Krankenhaus kamst«, sagte ich ausweichend. Als ich in der alten Fabrik wieder zu mir kam, die Dr. Ludwig als eine Art Feldlazarett nutzte, war ich so schwer verletzt gewesen, dass ich meinte, es sei einfacher zu sterben als zu leben. Bill, der mich gerettet hatte, litt an einer Vergiftung, weil Neave ihn mit ihren Silberzähnen gebissen hatte, und es war ungewiss gewesen, ob er überleben würde. Und der bereits tödlich verwundete Tray Dawson, Amelias Werwolffreund, hatte noch lange genug durchgehalten, um durchs Schwert zu sterben, als Breandans Truppen das Krankenhaus stürmten.
    »Während du in Neaves und Lochlans Gewalt warst, habe ich mit dir gelitten«, erwiderte Eric und sah mir direkt in die Augen. »Ich litt mit dir, ich blutete mit dir - nicht nur, weil wir durch Blutsbande verbunden sind, sondern wegen der Liebe, die ich für dich empfinde.«
    Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Ich konnte nicht anders, auch wenn ich spürte, dass er es ernst meinte. Ich wollte gern glauben, dass Eric mir sehr viel schneller zu Hilfe geeilt wäre, wenn er gekonnt hätte. Und ich wollte gern glauben, dass er das Echo des Horrors meiner Zeit bei den Elfenfolterern vernommen hatte.
    Doch Schmerzen, Blut und Grauen waren meine eigenen gewesen. Er hatte sie vielleicht auch empfunden, aber an einem anderen Ort. »Ich glaube dir, dass du da gewesen wärst, wenn du gekonnt hättest«, sagte ich mit einer Stimme, die viel zu ruhig war. »Das glaube ich wirklich. Ich weiß, dass du sie getötet hättest.« Eric beugte sich auf einen Ellbogen gestützt zu mir und drückte mit seiner großen Hand meinen Kopf an seine Brust.
    Ich konnte nicht abstreiten, dass ich mich besser fühlte, seit er sich dazu durchgerungen hatte, es mir zu erzählen. Doch ich fühlte mich nicht so viel besser, wie ich gehofft hatte, auch wenn ich jetzt wusste, warum er nicht gekommen war, als ich nach ihm schrie. Ich konnte sogar verstehen, warum es so lange gedauert hatte, bis er es mir erzählte. Hilflosigkeit war etwas, das Eric nicht oft erlebte. Er war ein Supra, und er war unglaublich stark und ein großartiger Kämpfer. Aber er war kein Superheld, und gegen etliche zu allem entschlossene Mitglieder seiner eigenen Art konnte er allein nichts ausrichten. Und mir wurde klar, dass er mir jede Menge Blut gegeben hatte, als er sich selbst noch von den Nachwirkungen der Silberketten erholen musste.
    Schließlich entspannte sich etwas in mir angesichts der Logik seiner Geschichte. Ich glaubte ihm mit meinem Herzen und nicht nur mit meinem Verstand.
    Eine rote Träne fiel auf meine nackte Schulter und rann hinab. Ich wischte sie mit dem Finger ab, legte den Finger an seine Lippen - und gab ihm seinen Schmerz zurück. Ich hatte genug eigenen.
    »Ich glaube, wir müssen Victor töten«, sagte ich, und sein Blick traf den meinen.
    Es war mir endlich gelungen, Eric zu überraschen.
    MÄRZ
    Dritte Woche
    »Tja«, sagte mein Bruder, »wie du siehst, bin ich noch immer mit Michele zusammen.« Er stand mit dem Rücken zu mir und wendete die Steaks auf dem Grill. Ich saß in einem Klappstuhl und blickte über den großen Teich mit dem Steg hinweg. Es war ein wunderschöner Abend, kühl und frisch. Ich war zufrieden damit, nur

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