Vor Vampiren wird gewarnt
es das Gleiche.
»Okay, jetzt die Beine«, sagte JB, als meine Arme vor Anstrengung zitterten. JB war kein staatlich anerkannter Physiotherapeut, aber er war Personal Trainer und hatte daher praktische Erfahrung damit, Leuten über verschiedene Verletzungen hinwegzuhelfen. So viele auf einmal wie bei mir hatte er wahrscheinlich noch nie gesehen, denn ich war gebissen, mit dem Messer verletzt und gefoltert worden. Doch ich hatte JB die Einzelheiten nicht erklären müssen, und er würde nicht bemerken, dass meine Verletzungen alles andere als typisch für die waren, die man bei einem Autounfall davontrug. Ich wollte nicht, dass irgendwelche Spekulationen über meine körperlichen Probleme in Bon Temps die Runde machten - deshalb ging ich weiterhin gelegentlich zu Dr. Amy Ludwig, die verdächtig einem Hobbit glich, und bat JB du Rhone um Hilfe, der zwar ein guter Trainer war, aber dumm wie Toastbrot.
JBs Ehefrau, meine Freundin Tara, saß auf einer der Hantelbänke und las >Was Sie erwartet, wenn Sie schwanger sind<. Tara war im fünften Monat und entschlossen,die beste Mutter zu werden, die sie nur sein konnte. Und weil JB zwar willens, aber nicht besonders helle war, übernahm Tara die Rolle des Elternteils, der die meiste Verantwortung trug. Sie hatte sich ihr Highschool-Taschengeld als Babysitter verdient und dadurch ein wenig Erfahrung in der Kinderbetreuung. Als sie jetzt die Seiten umblätterte, runzelte sie die Stirn, ein mir aus unserer Schulzeit vertrauter Anblick.
»Hast du inzwischen einen Arzt gefunden?«, fragte ich, nachdem ich meine Beinübungen beendet hatte. Meine vordere Oberschenkelmuskulatur brannte, vor allem der verletzte Muskel im linken Bein. Wir hatten uns in dem Fitnesscenter getroffen, in dem JB arbeitete, und es war schon nach Geschäftsschluss, weil ich kein Mitglied war. Aber JBs Chef hatte dem vorübergehenden Arrangement zugestimmt, um JB bei Laune zu halten. JB war ein enormer Gewinn für das Fitnesscenter; seit er dort arbeitete, hatten sich wesentlich mehr neue Kundinnen angemeldet.
»Ich glaube schon«, sagte Tara. »Es standen vier zur Auswahl im Landkreis, und wir haben mit allen gesprochen. Inzwischen hatte ich schon meinen ersten Termin bei Dr. Dinwiddie, hier in Clarice. Es ist ein kleines Krankenhaus, ich weiß, aber ich bin kein Risikofall, und es ist so nah.«
Clarice war nur ein paar Meilen entfernt von Bon Temps, wo wir alle wohnten. Man brauchte weniger als zwanzig Minuten von meinem Haus bis zum Fitnesscenter.
»Ich habe viel Gutes über ihn gehört«, sagte ich. Die Schmerzen in meinen Oberschenkeln machten mich ganz schwummerig im Kopf. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Gewöhnlich hatte ich mich immer für fit gehalten, und meistens war ich auch glücklich gewesen. Doch jetzt gab es Tage, an denen ich es gerade mal schaffte, aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.
»Sook«, sagte JB, »sieh dir mal an, was hier für ein Gewicht draufliegt.« Er lächelte mich breit an.
Jetzt erst bemerkte ich, dass ich zehn Dehnübungen mit fünf Kilo mehr drauf gemacht hatte als üblich.
Ich erwiderte sein Lächeln. Es hielt nicht lange an, aber ich wusste, ich hatte etwas erreicht.
»Vielleicht kannst du dann ja mal bei uns babysitten«, sagte Tara. »Wir werden dem Kind beibringen, dich Tante Sookie zu nennen.«
Ich würde eine Nenntante werden. Ich würde auf ein Baby aufpassen. Sie vertrauten mir. Unwillkürlich begann ich, Pläne für die Zukunft zu machen.
MÄRZ
Dieselbe Woche
Die nächste Nacht verbrachte ich mit Eric. Wie mindestens drei- oder viermal die Woche wachte ich keuchend auf, von Grauen erfüllt, orientierungslos wie auf hoher See. Ich klammerte mich an ihn, als würde ein Sturm mich davonwehen, wenn er nicht mein Anker wäre. Ich weinte bereits, als ich aufwachte. Das passierte nicht zum ersten Mal, doch dieses Mal weinte Eric mit mir, blutige Tränen, die seine bleichen Wangen auf erschreckende Weise rot streiften.
»Nicht«, bat ich ihn. Ich hatte mich immer bemüht, ganz die Alte zu sein, wenn ich mit ihm zusammen war. Doch er wusste es natürlich besser. Heute Nacht konnte ich seine Entschlossenheit spüren. Eric hatte mir etwas zu sagen, und er würde es mir sagen, ob ich es hören wollte oder nicht.
»Ich konnte deine Angst und deine Schmerzen in jener Nacht spüren«, begann er. »Aber ich konnte nicht zu dir kommen.«
Endlich erzählte er mir das, was ich schon so lange wissen wollte.
»Warum nicht?«, fragte ich, sehr bemüht, meine
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