Vorhang auf fuer Allie
Teigschaber ablecken darf und sie ihn haben will, fängt sie an zu heulen.
Egal, ich zeigte ihr mein Notizbuch mit den Regeln. Ich dachte, wenn sie die Regeln sähe, würde sie ausnahmsweise versuchen, sich daran zu halten, vor allem an die Du sollst deine Freunde so behandeln, wie du von ihnen behandelt werden
willst -Regel. Erst musste sie aber schwören, dass sie niemandem von meinen Regeln erzählen würde. Ich sagte ihr, dass ich das Notizbuch vor meinen Brüdern unter dem Lattenrost meines Bettes verstecken wollte. Ich dachte, das würde ihr Interesse wecken. Von wegen. Mary Kay gähnte nur und fragte mich, ob wir Löwe spielen sollten. Das war einfach blöd! Wenn irgendwer etwas über Freundschaftsregeln lernen sollte, dann Mary Kay.
So langsam kam mir der Verdacht, dass ich eine neue beste Freundin brauchen könnte. Eine, die keine Heulsuse ist. Einfach so zur Abwechslung.
Irgendwie ist es komisch, dass ich an diesem Tag darüber nachdachte, denn als ich abends nach Hause kam, erzählten Mom und Dad uns von ihren Umzugsplänen.
Regel Nummer 2
Du sollst dir kein Haustier aussuchen, das dir in die Hand kackt
Niemand war besonders überrascht, als Mom und Dad vom Umziehen redeten. Mom wünscht sich schon seit einer Weile ein neues Haus, das sie renovieren kann. Unser altes Haus gefällt ihr nicht, weil es nicht renoviert werden muss. Es ist ein neues Reihenhaus im Vorort Walnusswald . Mom hätte gern einen heruntergekommenen viktorianischen Altbau in der Stadt, dessen alte Pracht sie wiederherstellen kann. Sie und Dad hatten dieses neu gebaute Haus in dem Vorort nur gekauft, weil sie sich kein anderes leisten konnten, als Dad gerade seine Stelle als Lehrer angetreten hatte.
Mein Dad unterrichtet am College. In seinen Stunden geht es um Computer, das Fach heißt »Informatik«. Er lehrt schon eine ganze Weile Informatik und hat kürzlich einen Lehrstuhl bekommen. Wenn man als Dozent einen Lehrstuhl bekommt, heißt das nicht, dass man sich bei der Arbeit endlich hinsetzen kann. Es bedeutet, dass man mehr Geld verdient.
Außerdem ist mein jüngster Bruder Kevin in den Kindergarten gekommen. Seitdem arbeitet Mom wieder als Studienberaterin und berät College-Studenten bei der Auswahl ihrer Kurse (wie Informatik). Dadurch haben wir noch mehr Geld.
Da Mom und Dad beide den ganzen Tag am College sind, möchten sie in dessen Nähe ziehen, und zwar in ein altes Haus, das Mom zum Vergnügen in ihrer Freizeit verschönern kann. Nur begreife ich nicht, was daran so schön sein soll, ein altes Haus zu renovieren. Ich verstehe nicht, warum wir nicht in unserem jetzigen Haus bleiben können, das nicht repariert werden muss und überall cremefarbenen Teppichboden hat, außer in meinem Zimmer, wo der Teppichboden rosa ist.
»Aber, Allie«, sagte Mom in dem Versuch, es mir zu erklären. »Das neue Haus ist viel größer. Mark und Kevin könnten beide ein eigenes Zimmer bekommen. Dann würden sie sich weniger streiten. Wäre das nicht schön?«
Ich soll meine Brüder lieb haben, ich weiß, und das tue ich auch. Ich wünsche keinem von beiden, dass er überfahren wird und sein Gehirn auf der Hauptstraße verspritzt. Aber es ist mir eigentlich ziemlich egal, ob die ein eigenes Zimmer haben oder nicht.
»Und was ist mit meinem Himmelbett?«, fragte ich.
Zu meinem neunten Geburtstag habe ich nämlich ein Himmelbett bekommen. (Ich bin einen Monat älter als Mary Kay. Vielleicht heule ich nicht so viel, weil ich reifer und erwachsener
bin. Außerdem bin ich an die Härten des Lebens gewöhnt, weil ich kein Einzelkind bin.)
»Das Himmelbett nehmen wir mit«, erklärte Dad. »Im Umzugswagen.«
Mein Bruder Mark fand es toll, dass jetzt von dem Umzugswagen die Rede war. Er ist im zweiten Schuljahr und hat nur LKWs im Kopf. Und Käfer.
»Darf ich im Umzugswagen mitfahren?«, fragte er. »Hinten drin bei den Möbeln?«
»Nein«, sagte Dad. »Das ist verboten.«
»Das neue Haus liegt viel näher am College«, fuhr Mom fort. »Wir werden mehr Zeit für euch haben, weil wir nicht mehr so weit zur Arbeit fahren müssen.«
»Und was ist mit meiner Steinsammlung?« Ich ließ nicht locker. »Ich habe ja schon mehr als zweihundert Steine.«
Steine zu sammeln hört sich vielleicht langweilig an, aber ich suche sie sorgfältig aus und bewahre sie in Papier-Einkaufstüten auf, die unten in meinem Kleiderschrank stehen. Jeder Stein in meiner Sammlung ist auf seine Weise einzigartig. Bei den meisten handelt es sich um Geoden oder
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