Vorkosigan 01 Die Quaddies von Cay Habitat
schwer, die genaue Form zu sehen.«
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Leo holte Luft. »Los, holen wir das gute Stück, Kinder. Und schauen wir mal, was wir da bekommen haben.«
Es war die Arbeit von ein paar Minuten, das Werkstück einzufangen. Leo weigerte sich noch, es schon den ›Vortex-Spiegel‹ zu nennen – es könnte sich immer noch herausstellen, daß es bloß Schrottmetall war. Die Quaddies tasteten die gekrümmte graue Fläche mit ihren verschiedenen Scannern ab.
»Ich kann keine Sprünge finden, Leo«, sagte Pramod atemlos.
»An manchen Stellen ist es ein paar Millimeter zu dick, aber nirgends zu dünn.«
»Zu dick, damit können wir uns während dem abschließenden
Glätten mit dem Laser befassen. Zu dünn, das könnten wir nicht beheben. Deshalb nehme ich lieber zu dick«, sagte Leo.
Bobbi schwenkte ihren optischen Laser und fuhr damit immer wieder über die gekrümmte Fläche, Zahlen liefen auf ihrer Digitalanzeige vorüber. »Es entspricht den Spezifikationen! Leo, es entspricht den Spezifikationen! Wir haben es geschafft!«
Leos Eingeweide waren wie schmelzendes Wachs. Er stieß einen langen und sehr erschöpften, aber sehr glücklichen Seufzer aus.
»In Ordnung, Kinder, bringen wir es hinein. Zurück zur … zur …
verdammt, wir können es nicht immerzu die ›D-620-Habitat-Konfiguration‹ nennen.«
»Ah, können wir sicher nich’«, stimmte Tony zu.
»Wie sollen wir es also nennen?« Eine Menge Möglichkeiten
gingen Leo durch den Kopf: Die Arche – der Stern der Freiheit –
Grafs Narretei …
»Unser Heim«, sagte Tony einfach einen Augenblick später.
»Gehen wir heim, Leo.«
»Heim.« Leo ließ den Namen in seinem Mund rollen. Er
schmeckte gut. Er schmeckte sehr gut. Pramod nickte, und eine 331
von Bobbis oberen Händen berührte ihren Helm als Geste des Saluts für diese Wahl.
Leo blinzelte. Ein irritierender Dunst in der Luft seines Anzugs war zweifellos schuld daran, daß Wasser in seine Augen trat und daß seine Brust sich zusammenschnürte. »Ja, bringen wir unseren Vortex-Spiegel heim, Leute.«
Bruce Van Atta hielt auf dem Korridor vor Chalopins Büro im Shuttlehafen Drei an, um Atem zu holen und sein Zittern unter Kontrolle zu bringen. Er hatte auch Seitenstechen. Es würde ihn überhaupt nicht überraschen, wenn er von dieser ganzen Sache ein Magengeschwür bekäme. Das Fiasko draußen auf dem ausgetrockneten See hatte ihn in Rage versetzt. Daß er den Weg bahnte und ihn dann pfuschende Untergebene völlig im Stich ließen – das war über alle Maßen ärgerlich.
Es war ein purer Zufall gewesen, daß er, nachdem er in sein Quartier auf Rodeo zurückgekehrt war, um eine sehr notwendige Dusche zu nehmen und etwas zu schlafen, daß er also aufgewacht war, um zu pinkeln, und dann im Shuttlehafen Drei anrief, um sich über den Fortschritt der Dinge zu informieren. Man hätte ihm möglicherweise sonst überhaupt nicht erzählt, daß dieses Shuttle gelandet war! In Erwartung von Grafs nächstem Schachzug hatte er seine Kleider übergezogen und war zum Hospital geeilt – wenn er nur Augenblicke eher angekommen wäre, hätte er vielleicht Minchenko drinnen in der Falle gehabt.
Er hatte den Jetcopter-Piloten schon zur Schnecke und ihm die Hölle heiß gemacht für seine Feigheit, weil er es nicht geschafft harte, das startende Shuttle wieder auf den Boden zu zwingen, und für sein Versagen, weil er nicht eher auf dem See angekommen war. Der Pilot hatte mit rotem Gesicht die Zähne auf332
einandergebissen und die Fäuste geballt und nichts gesagt, zweifellos, weil er sich entsprechend schämte. Aber das wirkliche Versagen lag weiter oben – auf der anderen Seite genau dieser Bürotür. Er drückte auf den Knopf, und die Tür glitt zur Seite.
Chalopin, ihr Sicherheitsoffizier Bannerji und Dr. Yei hatten über dem Vid-Display von Chalopins Computer ihre Köpfe zusammengesteckt. Captain Bannerji deutete mit dem Finger darauf und sagte gerade zu Yei: »… können hier hereinkommen. Aber wieviel Widerstand, was meinen Sie?«
»Sie werden sie sicher sehr erschrecken«, sagte Yei.
»Hm. Ich bin scharf darauf, meine Männer zu bitten, hinaufzufliegen und mit Betäubern gegen verzweifelte Leute vorzugehen, die viel gefährlichere Waffen haben. Was ist der wirkliche Status dieser sogenannten Geiseln?«
»Dank Ihres Verhaltens«, knurrte Van Atta, »ist das Verhältnis der Geiseln jetzt fünf zu null. Sie sind mit Tony abgehauen, verdammt noch mal. Warum haben Sie nicht eine 27-Stunden-Wache vor
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