Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
die Zeremonie bis nächsten Frühling zu verzögern wäre so quälend wie das, was man gerade Gregor antat…
Laisa, die am Konferenztisch Miles gegenübersaß,
blätterte zur nächsten Folie aus dem vor ihr liegenden Stapel um, überflog sie kurz und sagte: »Das kann doch nicht euer Ernst sein!« Gregor, der neben ihr saß, blickte erschrocken drein und guckte ihr über die Schulter.
Oh, wir müssen schon zu Seite zwölf gekommen sein.
Miles fand schnell den aktuellen Punkt der Tagesordnung, setzte sich auf und versuchte aufmerksam zu wirken.
Lady Alys warf ihm einen strengen Blick zu, bevor sie
ihre Aufmerksamkeit Laisa zuwandte. Diese ein halbes
Jahr währende hochzeitliche Nervenprobe von der
Verlobungszeremonie am vergangenen Winterfest bis zur
an Mittsommer bevorstehenden Hochzeit war die Krönung
von Lady Alys Karriere als Gregors offizielle Gastgeberin.
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Sie hatte deutlich gemacht, dass alles ordnungsgemäß
ablaufen würde.
Das Problem bestand darin, wie man den Begriff
ordnungsgemäß definierte. Die letzte Hochzeit eines regierenden Kaisers war die hastige, mitten im Krieg vollzogene Verbindung zwischen Gregors Großvater Kaiser Ezar mit der Schwester des bald darauf ums Leben gekommenen Kaisers Yuri des Wahnsinnigen gewesen.
Aus einer Anzahl vernünftiger historischer und ästhetischer Gründe hatte Alys eine Abneigung dagegen, sie zum Vorbild zu nehmen. Die meisten anderen Kaiser waren schon jahrelang verheiratet gewesen, bevor sie auf dem Thron landeten. In der Zeit vor Ezar musste man fast zweihundert Jahre zurückgehen, zur Hochzeit von Vlad Vorbarra le Savante und Lady Vorlightly in der
prunkvollsten archaischen Periode des Zeitalters der
Isolation.
»Man hat doch nicht verlangt, dass die arme Braut sich vor all den Hochzeitsgästen ausziehen soll, oder?«, fragte Laisa und zeigte Gregor die für sie empörende Passage in dem historischen Bericht.
»Oh, Vlad musste sich auch entkleiden«, versicherte
Gregor ihr ernsthaft. »Die Schwiegerverwandten hätten
darauf bestanden. Es war eine Art Garantieprüfung. Nur für den Fall, dass bei den zukünftigen Nachkommen irgendwelche Mutationen auftraten, wollte jede der beiden Seiten in der Lage sein zu versichern, dass es nicht die Schuld ihrer Sippe war.« Et cetera, et cetera.
»Meine Herren«, sagte Lady Alys kühl. »Wir haben eine
Menge Punkte, die wir bei dieser Sitzung noch
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durchbringen müssen. Und keiner von euch geht, bevor wir fertig sind.« Sie verlieh ihren Worten mit einem Moment Schweigen Nachdruck, dann fuhr sie fort: »Ich bin nicht dafür, diesen alten Brauch genau wiederzubeleben, aber ich habe ihn auf die Liste gesetzt, Laisa, weil er etwas repräsentiert, was für die konservativeren Barrayaraner von kultureller Bedeutung ist. Ich hatte gehofft, dass wir eine modernisierte Form finden, die den gleichen psychologischen Zweck erfüllen würde.«
Duv Galeni senkte nachdenklich die dunklen Augenbrauen. »Ihre Genscans veröffentlichen?«, regte er an.
Gregor verzog das Gesicht, doch dann nahm er die Hand
seiner Verlobten, fasste sie fest und lächelte Laisa an. »Ich bin mir sicher, Laisas Daten wären in Ordnung.«
»Natürlich sind sie das«, begann sie. »Meine Eltern
haben den Scan durchführen lassen, bevor ich überhaupt in den Uterusreplikator kam…«
Sie grinste ihn albern an. Alys lächelte verhalten und übte kurz Nachsicht. Ivan blickte leicht angewidert drein.
Oberst Vortala, ein Mann mit KBS-Ausbildung und
jahrelanger Erfahrung in der Szene von Vorbarr Sultana, schaffte es, angenehm ausdruckslos zu wirken. Galeni war fast ebenso gut, er erschien nur etwas steif.
Miles nutzte diesen strategischen Moment, beugte sich
hinüber und sagte sanft: »Danke, Duv. Und welche Ideen hat sonst noch jemand?«
Gregor war offensichtlich nicht daran interessiert, seine Gendaten publik zu machen. Miles ging in Gedanken einige regionale Varianten des alten Brauches durch. »Man - 95 -
könnte eine Art Morgenempfang daraus machen. Die
jeweiligen Schwiegereltern – oder wer sonst deiner
Meinung nach das Recht und die Mitsprache haben sollte –
und ein Arzt ihrer Wahl besuchen am Morgen der Hochzeit den jeweils anderen Teil des Paars zu einer kurzen ärztlichen Untersuchung. Jede Delegation erklärt sich an einer passenden Stelle der Zeremonie öffentlich zufrieden.
Private Untersuchung, öffentliche Versicherung. Schicklichkeit, Ehre und Paranoia werden alle drei bedient.«
»Und
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