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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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»Hier werden sie uns abholen. Wir brauchen einfach nur im Kreis zu fahren, bis sie kommen.«
    Wieder hörte Amy den Motor, doch diesmal war es ein kaum vernehmbares Dröhnen. Und plötzlich war ihr alles klar. Nicht aufgrund eines logischen Denkvorgangs, sondern mit einer grellen, furchteinflößenden Gewißheit, die mit der Klarheit einer Vision über sie hereinbrach. Sekundenlang drohte ihr das Herz stehenzubleiben; dann machte es einen Sprung, und sein kraftvolles Pochen erweckte ihren Körper zum Leben. Sie sprang auf die Füße. »Die werden mich nicht an Land absetzen, nicht wahr? Umbringen werden die mich, und das weißt du. Hast es die ganze Zeit gewußt. Du hast mich hergebracht, damit die mich töten können.«
    Carolines Blick war auf die beiden Lichter gerichtet, das Aufblitzen aus dem Leuchtturm und das Geglitzer der Offshore-Anlagen. Mit eiskalter Stimme gab sie zurück: »Werd nicht hysterisch!«
    »Das können die gar nicht riskieren, mich laufenzulassen. Ich weiß zu viel. Und du hast selbst gesagt, daß ich denen nicht von Nutzen sein kann. Hör zu, du mußt mir unbedingt helfen. Sag ihnen, wie nützlich ich mich gemacht habe, tu einfach so, als lohne es sich, mich zu behalten. Wenn ich nur an Land kommen kann, werde ich zu fliehen versuchen. Aber ich brauche eine Chance. Du hast mich hier reingerissen, Caroline. Du mußt mir raushelfen. Ich muß an Land! Hör mir zu! Hör mir zu, Caroline! Wir müssen reden!«
    »Du redest doch. Und was du da sagst, ist einfach lächerlich.«
    »Wirklich, Caroline? Wirklich?«
    Jetzt war ihr klar, daß sie nicht betteln durfte. Am liebsten hätte sie sich Caroline zu Füßen geworfen und laut geschrien: »Sieh mich an! Ich bin ein Mensch! Ich bin eine Frau! Ich will leben! Mein Kind braucht mich! Ich bin keine besonders gute Mutter, aber ich bin die einzige, die es hat. Bitte, hilf mir!« Doch mit der instinktiven Klugheit, die aus Verzweiflung erwächst, wußte sie, daß kriecherisches Flehen, Händeringen, Schluchzen, weinerliches Betteln nur abstoßend wirken würden. Sie verhandelte um ihr Leben. Sie mußte ruhig bleiben, sich auf ihre Vernunft verlassen. Irgendwie mußte sie die richtigen Worte finden. »Es geht ja nicht nur um mich«, fuhr sie fort, »es geht auch um dich. Dies könnte für uns beide eine Entscheidung zwischen Leben und Tod sein. Denn dich wollen die ebensowenig wie mich. Du warst nur so lange nützlich für sie, als du in Larksoken gearbeitet hast, weil du ihnen die Einzelheiten über die Leitung des Kraftwerks verraten konntest und wer wann Dienst hatte. Jetzt bist du ihnen eine Last, genauso wie ich. Es gibt keinen Unterschied. Welche Art Arbeit könntest du denn für sie verrichten, daß es sich lohnen würde, dich zu unterstützen, dir eine neue Identität zu verschaffen? Einen Job in einem anderen Kraftwerk können sie dir nicht besorgen. Und wenn das MI5 dir tatsächlich auf der Spur ist, werden die weiter nach dir suchen. Die glauben bestimmt nicht so leicht an einen Unfall, wenn unsere Leichen nicht irgendwo angespült werden. Und unsere Leichen werden nicht angespült werden, nicht wahr? Es sei denn, sie töten uns, und genau das ist es, was sie vorhaben. Was bedeuten denen schon zwei Leichen mehr? Warum wollen sie uns hier abholen? Warum so weit draußen? Sie hätten sich weit näher an Land mit uns treffen können. Und falls sie uns wirklich brauchten, hätten sie uns mit dem Hubschrauber holen können. Kehr um, Caroline! Es ist noch nicht zu spät. Du könntest den Leuten, für die du arbeitest, sagen, daß es zu gefährlich gewesen sei, rauszufahren, der Nebel sei zu dicht gewesen. Die werden schon eine andere Möglichkeit finden, dich rauszuholen, wenn du raus willst. Ich werde den Mund halten, ich würde gar nicht wagen, etwas zu sagen. Das schwöre ich dir bei meinem Leben. Wenn wir jetzt umkehren, sind wir nichts weiter als zwei Freundinnen, die eine Bootsfahrt gemacht haben und heil zurückgekehrt sind. Es geht um mein Leben, Caroline, und es könnte auch um das deine gehen. Du hast mir deine Jacke gegeben. Jetzt bitte ich dich um mein Leben.«
    Sie berührte Caroline nicht. Jede falsche Bewegung, vielleicht jede Bewegung überhaupt, konnte tödlich sein, das wußte sie. Aber sie wußte auch, daß die stille Gestalt, die unbewegt geradeaus starrte, vor dem Augenblick der Entscheidung stand. Und als sie in dieses wie aus Stein gemeißelte, angespannte Gesicht blickte, erkannte Amy zum erstenmal in ihrem Leben, daß sie

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