Vorsatz und Begierde (German Edition)
Heißluftballons: Offensichtlich war er in Gedanken bei seiner großen privaten Leidenschaft gewesen. Caroline Amphlett bewegte sich mit ruhiger, ungekünstelter Anmut. Keiner sagte ein Wort. Drei Jahre war sie nun schon Dr. Mairs Assistentin. Dennoch wußte er kaum mehr von ihr als an jenem Vormittag, als sie ihm beim Einstellungsgespräch in diesem Raum gegenübergesessen hatte. Sie war hochgewachsen, blond, hatte eine makellose Haut und weit auseinanderstehende, ziemlich kleine Augen von einem ungewöhnlich tiefen Blau. Man hätte sie als attraktiv bezeichnen können, wäre sie etwas temperamentvoller gewesen. Dr. Mair vermutete, daß sie die Vertrauensstellung als seine Assistentin dazu nutzte, die anderen auf Distanz zu halten. Da sie seine bisher beste Assistentin war, schmerzte es ihn ein wenig, daß sie ihm eröffnet hatte, sie würde in Larksoken bleiben, falls er anderswo eine Stellung annehmen sollte. Dafür hatte sie persönliche Gründe angegeben. Damit meinte sie zweifellos Jonathan Reeves, einen noch jungen Ingenieur in der Wartungsabteilung. Diese persönliche Wahl hatte Mair ebenso überrascht und verärgert wie die Aussicht, seinen neuen Posten mit einer unbekannten Assistentin antreten zu müssen. Doch sein Unmut ging tiefer. Sie gehörte nicht zu den Frauen, deren Schönheit ihn reizte; zudem hatte er sie stets für frigide gehalten. Gerade deswegen aber verstimmte ihn die Vorstellung, ein pickliger Knilch habe in ihr Tiefen entdeckt und ausgelotet, die er trotz ihres täglichen vertrauten Umgangs miteinander nicht vermutet hatte. Manchmal hatte er sich schon gefragt, wenn auch ohne großes Interesse, ob sich hinter ihrer Dienstbeflissenheit nicht ein facettenreicheres Naturell verbarg, als er bisher angenommen hatte. Hin und wieder überkam ihn das beunruhigende Gefühl, daß sie die Fassade von humorloser Tüchtigkeit, die sie im AKW zeigte, sorgsam errichtet hatte, um eine minder zuvorkommende, abgründigere Persönlichkeitsstruktur zu kaschieren. Doch wenn die wahre Caroline Amphlett sich diesen Jonathan Reeves erschloß, wenn sie ihn mochte, diesen ungeschlachten Tölpel begehrte, war sie es nicht wert, daß er, Alex Mair, sie auch nur mit Neugier bedachte.
8
Er ließ seinen Abteilungsleitern Zeit, ihre Büros aufzusuchen, bevor er Hilary Robarts telephonisch zu sich bat. Im allgemeinen hätte er ihr beiläufig mitgeteilt, sie möge doch nach der Konferenz noch einen Augenblick dableiben. Aber was er ihr zu sagen hatte, war privater Natur. Zudem bemühte er sich schon seit Wochen, die Zahl ihrer Zusammenkünfte, von denen man allgemein wußte, zu verringern. Dem Gespräch sah er mit Unbehagen entgegen. Bestimmt würde sie das, was er ihr sagen wollte, als Kritik an ihrer Person ansehen, und das ließen sich seiner Erfahrung nach nur wenige Frauen gefallen. Sie ist meine Geliebte gewesen, dachte er. Ich habe sie geliebt, ihr soviel Liebe gegeben, wie ich nur kann. Und wenn es denn keine Liebe gewesen sein sollte – was immer das Wort bedeuten mag –, habe ich sie zumindest begehrt. Macht diese Tatsache nun das, was ich ihr sagen möchte, leichter oder schwerer für mich? Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß sämtliche Männer Feiglinge seien, wenn es zum endgültigen Bruch mit einer Frau kam. Die kindliche Willfährigkeit, die sich nach der Geburt wegen der körperlichen Abhängigkeit herausbildet, saß eben zu tief, als daß sie sich ausmerzen ließe. Er war nicht feiger als die übrigen Männer. Was hatte er doch gleich die Frau im Laden in Lydsett sagen hören? »George würde alles tun, um einen Ehekrach zu vermeiden!« Daß sich der Arme so verhielt, war selbstverständlich. Dafür hatten die Frauen mit ihrer Leibeswärme, ihrem Körperpuder, ihren milchspendenden Brüsten in den ersten vier Wochen eines jeden Lebens schon gesorgt.
Er stand auf, als sie hereinkam, und wartete, bis sie sich auf den Stuhl gegenüber dem Schreibtisch gesetzt hatte. Dann zog er die rechte Schublade heraus und entnahm ihr eine Kopie, die er Hilary über die Schreibtischschublade zuschob.
»Hast du das schon gesehen? Neil Pascoes neueste Mitteilungen an die PANUP.«
»Was ist schon die PANUP?« erwiderte sie. »Neil Pascoe und ein paar Dutzend gleichfalls falsch informierte Hysteriker. Selbstverständlich habe ich es gelesen. Ich stehe ja auf seiner Empfängerliste. Er sorgt schon dafür, daß ich das da bekomme.«
Sie überflog das Blatt und schob es wieder zurück. Dr. Mair nahm es in die
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