Vorsatz und Begierde (German Edition)
deinen Ruf, nicht bei den Leuten, die zählen. Und ein Zivilprozeß hilft dir nicht weiter. Es wäre unklug, wenn man zuließe, daß die Werkspolitik von verletztem Stolz beeinflußt, ja sogar aufs Spiel gesetzt wird. Am vernünftigsten wäre es, die Klage ohne großes Aufsehen zurückzuziehen. Sind Gefühle denn so wichtig?«
Er konnte nicht länger sitzen bleiben, während sie auf und ab ging. Er erhob sich ebenfalls und schritt zum Fenster, wo er zwar Hilarys zornige Stimme hören, sie selbst aber nicht anschauen mußte. Er sah nur noch ihr Spiegelbild, ihr vor Erregung auf und nieder wippendes Haar.
»Was zählen da schon Gefühle?« wiederholte er. »Allein unsere Arbeit zählt.«
»Für mich sind sie wichtig. Das ist etwas, das du nie verstanden hast, nicht wahr? Das Leben hat was mit Gefühlen zu tun. Die Liebe hat was mit Gefühlen zu tun. So war es schon bei meiner Abtreibung. Du hast mich dazu gezwungen. Aber hast du dich jemals gefragt, was ich damals empfand, was ich damals gebraucht hätte?«
O Gott, dachte er, nicht das schon wieder, nicht jetzt. Er kehrte ihr weiterhin den Rücken zu und erwiderte: »Ist doch lächerlich, wenn du sagst, ich hätte dich gezwungen. Wie hätte ich das tun können? Ich dachte, du teiltest meine Ansicht, und daß du es unmöglich fändest, ein Kind auszutragen.«
»O nein, so war das nicht! Wenn es dir schon um Genauigkeit geht, dann laß uns auch ehrlich sein. Es wäre unbequem gewesen, peinlich, mißlich, mit Geldausgaben verbunden. Aber unmöglich war’s nicht. Es ist auch jetzt nicht unmöglich. Dreh dich bitte um! Sieh mich an! Ich rede mit dir. Was ich sage, ist wichtig.«
Er machte kehrt und ging zum Schreibtisch. »Na schön, ich habe mich ungenau ausgedrückt«, sagte er gleichmütig. »Bekomme doch ein Kind, wenn du es dir wünschst. Ich würde mich freuen, sofern du nicht erwartest, daß ich sein Vater sein soll. Aber im Moment reden wir von Neil Pascoe und der PANUP. Wir haben uns solche Mühe gegeben, zu den Einheimischen gute Kontakte herzustellen. Ich werde nicht zulassen, daß unsere erfolgreiche Arbeit durch einen gänzlich unnötigen Prozeß zunichte gemacht wird, zumal jetzt nicht, wo man bald mit dem Bau des neuen Reaktors beginnen will.« »Dann verhindere das! Und da wir schon von unserer Öffentlichkeitsarbeit reden – es überrascht mich, daß du Ryan Blaney und Scudder’s Cottage nicht erwähnst. Mein Cottage, falls du es vergessen haben solltest. Wie soll ich mich da verhalten? Ihm und seinen Kindern meinen Besitz mietfrei überlassen, im Interesse einer guten Öffentlichkeitsarbeit?« »Das ist was anderes. Damit habe ich als AKW-Direktor nichts zu schaffen. Aber wenn du schon meine Meinung hören willst: Ich denke, du bist schlecht beraten, wenn du ihn nur deshalb hinauswerfen willst, weil das Recht auf deiner Seite ist. Er zahlt dir doch regelmäßig Miete, oder? Außerdem willst du das Cottage doch gar nicht.«
»Ich will das Haus. Es gehört mir. Ich habe es erworben und möchte es nun verkaufen.«
Sie ließ sich auf den Stuhl fallen; auch er setzte sich. Er zwang sich, ihr in die Augen zu sehen, zu seinem Unbehagen las er darin eher Kummer als Zorn. »Wahrscheinlich weiß er das«, sagte er. »Er wird ausziehen, sobald er kann. Aber das ist nicht so leicht. Er ist kürzlich Witwer geworden, hat vier Kinder. Soviel ich weiß, findet er bei den Einheimischen viel Verständnis.«
»Das bezweifle ich nicht, vor allem im Local Hero, wo Ryan Blaney den Großteil seiner Zeit verbringt und sein Geld läßt. Ich will nicht länger warten. Wenn wir in den nächsten drei Monaten nach London ziehen, bleibt mir nicht viel Zeit, die Sache mit dem Cottage zu regeln. Ich möchte keine Angelegenheit unerledigt lassen. Ich möchte es baldmöglichst zum Verkauf anbieten.«
Er wußte, das war der Augenblick, in dem er mit fester Stimme hätte sagen sollen: »Vielleicht ziehe ich nach London, aber nicht mit dir.« Doch das brachte er nicht fertig. Er beschwichtigte sich mit dem Gedanken, daß es spät sei, das Ende eines arbeitsreichen Tages, der schlechtestmögliche Zeitpunkt für ein vernünftiges Gespräch. Sie war ohnehin schon gereizt. Alles zu seiner Zeit. Das mit Pascoe hatte er ihr immerhin schon einmal unter die Nase gerieben. Obgleich sie erwartungsgemäß reagiert hatte, würde sie vielleicht darüber nachdenken und schließlich das tun, was er ihr riet. Was Ryan Blaney betraf, hatte sie recht. Das ging ihn nichts an. Aber das Gespräch
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