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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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öffentlich bekanntgegeben. Ich glaube, sie hielt diese Information für eine viel zu wertvolle Perle, um sie vor die Säue zu werfen. Im Vorbeifahren verlangsamte sie ihr Tempo fast bis zur Schrittgeschwindigkeit und starrte mir direkt in die Augen. Diesen Blick vergesse ich nie: Belustigung, die erst zu Verachtung und dann zu Triumph wurde. Wir verstanden einander nur allzu gut. Aber von da an hat sie nie mehr ein Wort mit mir gesprochen.«
    »Hat sie mit Mr. Gledhill darüber gesprochen?«
    »O ja, mit Toby hat sie allerdings gesprochen. Das war der Grund für seinen Selbstmord.«
    »Woher wissen Sie, daß sie mit ihm gesprochen hat? Hat er Ihnen das mitgeteilt?«
    »Nein.«
    »Wollen Sie etwa andeuten, daß sie ihn erpreßt hat?«
    »Ich will andeuten, daß er unglücklich war, durcheinander, unsicher hinsichtlich aller Aspekte seines Lebens, seiner Forschungen, seiner Zukunft, seiner Sexualität. Ich weiß, daß sie sexuell anziehend auf ihn wirkte. Er begehrte sie. Sie gehörte zu jenen dominanten, physisch kraftvollen Frauen, die auf sensible Männer wie Toby anziehend wirken. Das wußte sie, glaube ich, und nutzte es aus. Wann sie Macht über ihn gewann und was sie zu ihm gesagt hat, weiß ich nicht, aber ich bin verdammt sicher, daß er noch am Leben wäre, wenn es nicht Hilary Robarts gegeben hätte. Und wenn mir das ein Mordmotiv gibt, haben Sie verdammt recht damit. Aber ich habe sie nicht umgebracht, und darum werden Sie auch keine Beweise dafür finden, daß ich es war. Einem Teil von mir, einem sehr kleinen Teil, tut es sogar leid, daß sie sterben mußte. Ich mochte sie nicht und hielt sie nicht für eine glückliche Frau, ja nicht mal für eine besonders nützliche. Aber sie war gesund und intelligent, und sie war jung. Der Tod dürfte eigentlich nur die Alten, Kranken und Müden ereilen. Was ich empfinde, ist ein Anflug von lacrimae rerum. Sogar der Tod eines Feindes nimmt uns etwas, jedenfalls scheint uns das in gewissen Stimmungen so zu sein. Aber das heißt nicht, daß ich wünschte, sie wäre wieder am Leben. Möglicherweise bin ich befangen, vielleicht sogar ungerecht. Wenn Toby glücklich war, konnte sich niemand intensiver freuen als er. Wenn es ihm schlechtging, sank er tief in seine private Hölle hinab. Vielleicht konnte sie ihn dort erreichen, ihm helfen. Ich konnte es nicht, das war mir klar. Es ist schwierig, einen Freund zu trösten, wenn man befürchtet, er könnte es als Versuch deuten, ihn zu sich ins Bett zu kriegen.«
    »Sie sind erstaunlich offen, mit diesem Angebot an Motiven für Sie«, erklärte Rikkards. »Aber Sie haben uns noch keinen einzigen konkreten Beweis für Ihre Andeutung geliefert, daß Hilary Robarts auf irgendeine Art mit Toby Gledhills Tod zu tun haben könnte.«
    Lessingham sah ihm nachdenklich in die Augen; dann sagte er: »Nachdem ich so weit gegangen bin, kann ich Ihnen auch noch den Rest erzählen. Er hat mit mir gesprochen, als er auf dem Weg in seinen Tod an mir vorbeikam. ›Sag Hilary, sie braucht sich keine Sorgen mehr zu machen. Ich habe meine Wahl getroffen‹, sagte er. Als ich ihn das nächste Mal sah, kletterte er auf die Lademaschine. Sekundenlang blieb er balancierend auf ihr stehen, dann sprang er auf den Reaktordeckel hinab. Er wollte, daß ich ihn sterben sehe, und ich habe ihn sterben sehen.«
    »Ein symbolisches Opfer«, warf Oliphant ein.
    »Für den grausamen Gott der Kernspaltung? Ich dachte mir schon, daß einer von Ihnen das sagen würde, Sergeant. Das war eine vulgäre Reaktion. Grobschlächtig und theatralisch. Mann Gottes, er wollte nur eins: sich möglichst schnell den Hals brechen!« Er hielt inne, schien wieder nachzudenken und fuhr dann fort: »Selbstmord ist ein außergewöhnliches Phänomen. Das Resultat ist unwiderruflich. Untergang. Das Ende jeder Möglichkeit der Wahl. Aber der Auslösefaktor wirkt oft so banal. Ein kleiner Rückschlag, eine vorübergehende Depression, das Wetter, sogar ein schlechtes Essen. Wäre Toby auch gestorben, wenn er die vorhergehende Nacht mit mir verbracht hätte statt allein? Falls er allein war.«
    »Wollen Sie damit andeuten, daß er es nicht war?«
    »Es gab keinen Beweis dafür oder dagegen und wird nun auch niemals einen geben. Aber die Untersuchung ergab erstaunlich wenig Beweise in jeder Hinsicht. Für die Art, wie er starb, gab es drei Zeugen – mich und zwei andere. Niemand war in seiner Nähe, niemand hätte ihn stoßen können, ein Unfall kann es nicht gewesen sein. Für seinen

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