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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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der Organisation gehabt und sie gelegentlich getroffen haben, und sei es nur, um Instruktionen zu empfangen. Die Camm hat vermutlich kodierte Nachrichten mit Zeit und Ort für das nächste Treffen empfangen und weitergegeben. Und was ihre Gründe betrifft, so fand sie das Leben zweifellos unbefriedigend.«
    Bill Harding schlenderte zum Tisch hinüber und holte sich einen großen Whisky. Seine Stimme klang so belegt, als sei er betrunken. »Das Leben war schon immer für die meisten Menschen unbefriedigend. Diese Welt ist nicht geschaffen, um uns zufriedenzustellen. Das ist kein Grund, sie über uns zusammenbrechen zu lassen.«
    Sowerby zeigte sein ironisches, überlegenes Lächeln. »Vielleicht dachte sie, daß wir genau das tun«, meinte er.
    Eine Viertelstunde später verließ Dalgliesh mit Mair zusammen das Haus. Während sie ihre Autos aufschlossen, blickte er noch einmal zurück und sah, daß der Hausverwalter noch immer an der offenen Tür stand und wartete.
    »Der vergewissert sich, daß wir das Grundstück auch wirklich verlassen«, bemerkte Mair. »Sonderbare Menschen da drin! Ich frage mich, wie sie auf Caroline gekommen sind. Es schien mir sinnlos zu sein, sie danach zu fragen, denn es war eindeutig, daß sie nicht beabsichtigten, es mir zu sagen.«
    »Nein, das würden sie bestimmt nicht tun. Mit Sicherheit haben sie einen Tip von den deutschen Sicherheitsdiensten bekommen.«
    »Und dieses Haus. Wie in aller Welt findet man so einen Besitz? Was meinen Sie – gehört es ihnen, haben sie es sich ausgeliehen oder gemietet, oder haben sie einfach eingebrochen?«
    »Vermutlich gehört es einem ihrer Beamten«, antwortete Dalgliesh. »Einem pensionierten, denke ich. Er oder sie überläßt ihnen für gelegentliche Benutzung einen Ersatzschlüssel.«
    »Und jetzt werden sie einpacken, nehme ich an. Die Möbel abstauben, alles auf Fingerabdrücke kontrollieren, die Lebensmittel beseitigen, den Strom abstellen. Und in einer Stunde wird kein Mensch mehr merken, daß sie jemals dort waren. Die perfekten Mieter auf Zeit. Nur in einem haben sie sich geirrt. Es gab keine sexuelle Verbindung zwischen Amy und Caroline. Das ist barer Unsinn.«
    Er sagte es mit einer so merkwürdigen Betonung und Überzeugung, ja fast Empörung, daß Dalgliesh sich sekundenlang fragte, ob Caroline Amphlett mehr für ihn gewesen sein konnte als nur eine Assistentin. Mair mußte ahnen, was sein Begleiter dachte, erklärte jedoch nichts und leugnete nichts. »Ich habe Ihnen noch nicht zum neuen Job gratuliert«, sagte Dalgliesh.
    Mair hatte sich schon hinters Steuer gesetzt und ließ den Motor an. Aber die Wagentür war noch offen, und der stumme Wächter stand noch immer an der Haustür und wartete geduldig.
    »Danke«, gab er zurück. »Diese Tragödien in Larksoken haben mir einen Teil der Freude daran genommen, aber es ist noch immer die wichtigste Position, die ich vermutlich je innehaben werde.« Und als Dalgliesh sich bereits abwandte, fügte er hinzu: »Dann sind Sie also der Meinung, daß auf der Landzunge noch immer ein Killer frei herumläuft.«
    »Sie nicht?«
    Aber Mair antwortete nicht. Statt dessen fragte er: »Wenn Sie Rikkards wären – was würden Sie tun?«
    »Ich würde mich darauf konzentrieren, herauszufinden, ob Blaney oder Theresa an jenem Sonntag abend Scudder’s Cottage verlassen haben. Hat einer von den beiden das tatsächlich getan, würde ich meinen Fall für gelöst halten. Es ist zwar keine Lösung, die ich beweisen könnte, aber sie würde jeder Logik standhalten, und ich denke, daß sie der Wahrheit entspräche.«

49
    Dalgliesh fuhr als erster durchs Tor hinaus, doch Mair gab Vollgas, überholte ihn auf der ersten geraden Strecke und blieb dann vorn. Die Vorstellung, dem Jaguar auf dem ganzen Rückweg nach Larksoken zu folgen, war für ihn aus irgendeinem Grund unerträglich. Aber da bestand keine Gefahr: Dalgliesh fuhr sogar auch wie ein Polizist – innerhalb des Tempolimits, und zwar ausschließlich. Als sie die Hauptstraße erreichten, konnte Mair die Scheinwerfer des Jaguars schon nicht mehr im Rückspiegel sehen. Er fuhr wie automatisch, den Blick so starr geradeaus gerichtet, daß er fast kaum noch die schwarzen Umrisse der windzerzausten Bäume wahrnahm. Da er damit rechnete, auf der Landzunge freie Fahrt zu haben, übersah er, als er eine kleine Anhöhe überwand, beinahe die Warnlichter eines Krankenwagens. Hastig riß er das Steuer herum, fuhr von der Straße ab und kam auf der Grasnarbe zum

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