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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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zu wissen, daß er mich dort hat, wo er mich haben will. Ehrlich, Neil, du bist manchmal furchtbar naiv. Die Menschen sind nun mal so.«
    »So kann man doch nicht argumentieren, Amy. Uns geht es doch nicht um Messer, Pistolen, Maschinengewehre. Es geht um Waffen, die keiner von uns einsetzen kann, ohne daß wir uns selbst vernichten, vielleicht den ganzen Planeten. Aber es ist anständig von dir, daß du mir bei der PANUP hilfst, auch wenn du nicht voll dahinterstehst.«
    »Das mit der PANUP ist was anderes«, sagte sie. »Außerdem bin ich damit schon einverstanden. Aber ich denke, daß es nur Zeitverschwendung ist, wenn du Info-Briefe schreibst, Reden hältst, all die Rundschreiben losschickst. Das bringt doch nichts. Du mußt die Leute auf ihre Weise bekämpfen.«
    »Aber es hat doch schon was gebracht. Auf der ganzen Welt marschieren und demonstrieren ganz gewöhnliche Menschen, stellen Forderungen, lassen die an der Regierung wissen, daß sie eine friedliche Welt für sich und ihre Kinder anstreben. Ganz gewöhnliche Menschen wie du und ich.«
    »Ich bin kein gewöhnlicher Mensch!« schrie sie ihn an. »Sag nicht, daß ich ein gewöhnlicher Mensch bin! Wenn es diese ganz gewöhnlichen Menschen gibt, gehöre ich nicht zu ihnen.«
    »Tut mir leid, Amy. So hab ich’s nicht gemeint.«
    »Dann sag so was nicht.«
    Etwas hatten sie doch gemeinsam: Sie aßen kein Fleisch. Gleich nach ihrer Ankunft hatte er ihr eröffnet: »Ich bin Vegetarier, aber ich erwarte nicht, daß du da mitmachst. Oder Timmy.« Als er das sagte, hatte er überlegt, ob Timmy überhaupt schon Fleisch essen konnte. »Wenn du Lust hast, kannst du dir selbstverständlich hin und wieder in Norwich ein Lammkotelett kaufen.«
    »Was du ißt, esse ich auch«, erwiderte sie. »Die Tiere stellen mir nicht nach. Warum sollte ich sie essen?«
    »Und Timmy?«
    »Timmy ißt, was er von mir bekommt. Er ist da nicht verwöhnt.«
    Er war’s gewiß nicht. Neil konnte sich kein braveres oder zufriedeneres Kind vorstellen. Das gebrauchte Laufställchen – auf der Anzeigentafel bei einem Zeitungsstand in Norwich hatte er davon gelesen – hatte er mit seinem Lieferwagen hierhergeschafft. Timmy kroch darin stundenlang umher, zog sich an den Gitterstäben hoch und stand schwankend da, wobei ihm das Lätzchen meist bis zu den Knien hinabrutschte. Wenn ihm das mißlang, begann er freilich zu toben. Er kniff die Augen zusammen, öffnete den Mund, hielt einen Augenblick die Luft an und stieß dann einen so gellenden Schrei aus, daß Neil jedesmal befürchtete, ganz Lydsett würde dahergelaufen kommen, um nachzusehen, wer denn das Kind mißhandle. Amy gab ihm nie einen Klaps. Sie setzte ihn dann auf die Hüfte, lud ihn auf ihrem Bett ab und sagte nur: »Mach doch nicht so ’n’ Krach, Timmy!«
    »Solltest du dich nicht mehr um ihn kümmern?« hatte er ihr einmal gesagt. »Er könnte doch sterben, wenn er so die Luft anhält.«
    »Du spinnst ja! Er stirbt schon nicht daran. So schlimm ist das nicht.«
    Er wußte mittlerweile, daß er sie begehrte, wenngleich ihm klar war, daß sie ihn nicht begehrte, weshalb er eine zweite Abfuhr nicht riskieren würde. Am zweiten Abend hatte sie den trennenden Vorhang zwischen seinem und ihrem Bett zurückgezogen, war zu ihm gegangen und hatte ihn prüfend angeschaut. Sie war nackt.
    »Du brauchst mir nicht gefällig zu sein, Amy!« hatte er gesagt.
    »Ich bin niemand gefällig, zumindest nicht so. Aber wie du willst.« Nach kurzem Zögern fragte sie noch: »Bist du etwa schwul?«
    »Das nicht, aber ich mag solche unverbindlichen Affären nicht.«
    »Heißt das, du magst sie nicht oder du findest sie unschicklich?«
    »Ich glaube … ich denke, ich sollte keine haben.«
    »Du bist also doch religiös?«
    »Nein, ich bin nicht religiös, nicht auf die übliche Weise. Ich meine nur, daß Sex zu wichtig ist, als daß man sich leichtfertig auf ihn einlassen sollte. Weißt du, wenn wir miteinander schlafen und ich … enttäusche dich, könnten wir hernach streiten, und du würdest weggehen. Du hättest das Gefühl, du müßtest es tun. Ihr würdet dann gehen, du und Timmy.«
    »Na und? Dann gehe ich eben.«
    »Ich möchte aber nicht, daß du weggehst. Nur weil ich etwas getan habe.«
    »Oder nicht getan hast. Okay, vielleicht hast du recht.« Nach einer Weile erkundigte sie sich noch: »Es würde dir was ausmachen, wenn ich verschwinde?«
    »Ja, es würde mir nahegehen.«
    »Ich verschwinde letztlich immer«, erwiderte sie und wandte

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